Seidenfpade
dabei Shane an »ist Überwachen viel interessanter, als beim Trocknen von Reinigungsöl zuzusehen, glauben Sie mir.«
Shane beachtete Flanders nicht, sondern saß weiter reglos da und starrte durch die getönten Scheiben wie ein Tiger, der in der fleckigen Dunkelheit des Dschungels auf Beute lauerte.
Flanders murmelte etwas auf Gossenspanisch und fing mißmutig an, Kugeln in seine Waffe zu schieben.
»Es ist langweilig und auch wieder nicht«, knurrte Shane auf einmal, »... kann beides sein oder keins von beiden.«
»Versuch es doch mal in einer Sprache, die wir alle verstehen«, regte Dani an.
»Verglichen damit, einen Punkt an einer blanken Wand in einer eisigen Klosterzelle anzustarren und über die unendlichen Variationen der Unendlichkeit nachzudenken«, versetzte er, »ist Überwachung unglaublich stimulierend.«
»Zen oder die Kunst der Überwachung!« Flanders lüftete eine Braue. »Ich habe euch Risk-Limited-Typen immer für Hirnakrobaten gehalten, aber ich hätte nicht gedacht, einen Zen-Krieger in dem Geschäft zu finden.«
»Er ist Mönch«, entgegnete Dani mit einem Anflug von Bitterkeit. »Da liegt der Unterschied.«
»Ein Suchender«, korrigierte Shane alle beide. »Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.« »Suchen Sie was Bestimmtes?« fragte Flanders unschuldig. »Seattle ist ’ne ziemlich große Stadt. Wir haben hier fast alles.«
Shane lachte. In den wenigen Stunden, die sie in dem Lieferwagen zusammen verbracht hatten, hatte er angefangen, den mürrischen ehemaligen Zollbeamten zu schätzen.
Prasam Dhamsa würde Flanders sehr gefallen, dachte Shane. Er würde die unbeugsame Sehnsucht nach einer besseren Welt ahnen, die sich hinter dem Zynismus dieses Cops verbarg.
»Frieden suche ich«, bekannte er jetzt. »Das ist es doch, was im Grunde jeder sucht.«
»Sprich du bitte für dich selbst«, sagte Dani. »Das einzige, wonach ich suche, ist greifbarer - die seidene Robe des Buddhas.«
»Das würde auch mir gewaltigen Frieden schenken«, stimmte ihr Shane zu. »Ganz gewaltigen!«
Flanders gestikulierte mit seiner Pistole in Richtung des Lagerhauses, das sie schon seit einer Stunde beobachteten, genauer gesagt, seitdem Katja und Kasatonin es betreten hatten.
»Macht es Sie nicht nervös, daß Sie möglicherweise direkt davorstehen?« fragte er.
»Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, bemerkte Shane.
»Wir könnten die Tür eintreten und es rausfinden.«
»Aber wir können die eingetretene Tür nicht wieder einhängen, falls die Seide nicht da ist«, gab der Zen-Spezialist zu bedenken.
»Wie wär es mit einem kleinen Paraboimikrofon, ein Nageltransmitter in der Wand des Schuppens vielleicht?« schlug Flanders vor.
»Zu gefährlich. Da stehen sicher irgendwo Wachen herum, mit ihren Knarren im Anschlag.«
»Ich bin beispielsweise gut als betrunkener Penner.«
Shane schüttelte den Kopf.
»Shit Marie«, maulte Flanders. »Also, damit ich die Hausregeln auch verstehe, hat Risk Limited ein Problem mit schmutzigen Tricks?«
Das machte Shane von den jeweiligen Umständen abhängig.
»Es ist ja nicht so, als müßten wir den Fall vor Gericht bringen, oder?« fing Flanders wieder an. »Alles, was wir wollen, sind Informationen.«
»Anonyme Informationen«, präzisierte Shane. »Die Sorte, die nicht zurückverfolgt werden kann.«
»Das ist ja gerade das Nette an Parabolmikros«, beharrte Flanders.
Erneut schüttelte Shane den Kopf.
»Wir haben es hier nicht mit einem Straßendealer zu tun«, sagte Shane. »Kasatonin besitzt einen sechsten Sinn für Gefahrensituationen.«
»Du aber auch«, warf Dani ein.
»Was uns aber nicht davor bewahrte, in eine wirklich heiße Zwickmühle zu geraten, bei unserem letzten Treffen mit dem Burschen in Lhasa«, grollte er.
Flanders blickte auf. »Wie heiß?«
»So wie ein Grab kalt ist«, entgegnete Shane.
»Da habt ihr euch aber ganz schön verbrannt, Söhnchen!«
Shane hob seine Stimme. »Ich möchte Dani nicht noch mal in eine solche Gefahr bringen. Sie ist Zivilistin.«
»Das ist Ihr Job«, erwiderte Flanders. »Sie müssen die Suppe schließlich auslöffeln.«
»Wie lange sollen wir noch hier rumhängen?« erkundigte Dani sich.
»Bis wir etwas sehen!«
»Würdest du das auch so machen, wenn ich nicht dabei wäre?« drängte ihn Dani.
»Wahrscheinlich«, gab er Bescheid.
Flanders schnaubte verächtlich.
»Wir können es uns immer noch leisten, geduldig zu sein«, erläuterte Shane. »Unsere Agenten in Tokio lassen Koyama nicht aus den
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