Seidenfpade
wunderte Dani sich.
»Geduld, chica«, sagte Gelmann aufgeräumt. »Nachdem sie zwei Tage hier sind - und für fünf gebucht haben -, beschließen die fetten Bosse der Harmony, das Hotel zu verlassen und eine Kreuzfahrt durch die San-Juan-Inseln nach Vancouver zu machen - Vancouver Stadt, nicht die Insel.«
»Wann brechen sie auf?« fragte Shane.
»In ein paar Stunden.«
»Der Name der Jacht?« Shanes Stimme klang ziemlich autoritär.
»So ungefähr M. V. Party Tyme«, erwiderte Gelmann.
»Katja hat eine Übernachtung auf dem Schiff vorgesehen, so daß sie morgen vormittag in Vancouver eintreffen. Dort hat sie für die Gruppe ein paar Nächte im Vierjahreszeiten in der Georgia Street buchen lassen.«
»Wer wird an Bord sein?« wollte Shane wissen.
»Alle außer Tony Liu.«
Shane grinste. »Gute Arbeit. Verdammt gute Arbeit!«
»Vancouver«, meldete Dani sich. »Könnte Koyama ein Visum für Kanada bekommen?«
»Sicher«, erwiderte Flanders. »Die Kanadier sind viel liberaler, was Einwanderungs- und Besucherbestimmungen betrifft. Die würden wahrscheinlich selbst Dracula politisches Asyl anbieten, wenn es ihn noch gäbe.«
»Dann war das alles hier umsonst«, sagte Dani entmutigt. »Die Harmony kriegt ihre japanische Verbindung, Koyama die Seide, und der Rest der Welt guckt mit dem Ofenrohr ins Gebirge.« »He«, mahnte Shane freundlich.
Er legte das Fernglas beiseite und ergriff Dani bei den Schultern. Sie zitterte vor Wut und Enttäuschung.
»Warte nur«, beschwichtigte er. »Das ist unsere Chance, einen Vorsprung zu erwischen.«
»Vorsprung? Um Himmels willen, Shane! Wahrscheinlich wimmelt es in dem neuen Hotel schon von Bodyguards. Ganz zu schweigen von der Jacht. Was sollen wir tun - neben ihnen herschwimmen?«
»Man nennt das Schäferhundtaktik«, setzte Shane ihr auseinander.
»Wohl eher >Ausmanövriertwerden »Wir haben sie dazu gebracht, ihre Pläne zu ändern«, meinte Shane. »Etwas, das sie nicht voraussehen konnten, ist eingetreten. Und genau dann passieren Fehler - zu unserem Vorteil, Dani!«
»Klingt viel riskanter, als sich hier und jetzt Einlaß zu verschaffen und die Seide zu schnappen«, brummte Flanders.
Shane blickte Flanders an.
»Überlegen Sie mal«, hielt er ihm vor. »Wird die Harmony die Seide mit an Bord nehmen?«
Der ehemalige Zollbeamte dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte er den Kopf.
»Um diese Jahreszeit gibt es nur sehr wenige Touristenkreuzfahrten Richtung Norden durch die San Juans«, überlegte er laut. »Ein einziger Anruf würde genügen, und die Mounties fallen über die Jacht her wie Heuschrecken über ein Weizenfeld.«
»Außerdem sind die Russen paranoid«, ergänzte Gelmann. »Die würden niemals riskieren, sich mit der Seide erwischen zu lassen.«
»Deshalb fährt Tony Liu nicht mit«, faßte Shane zusammen. »Er ist der Schmuggelexperte. Wenn Sie Liu wären, wie würden Sie die Seide über die Grenze bringen?«
Flanders nannte sofort Chen Li Hwan. »Er gilt als der allergerissenste Kurier!«
»Ist er nicht Kanadier?« fragte Dani.
»Die Pipelines funktionieren in beide Richtungen«, klärte
Shane sie auf. »Reichen Sie mir doch mal das Handy mit dem Decoder.«
Flanders holte ein ungewöhnlich großes Handy aus der Tasche zu seinen Füßen und warf es Shane zu. Der fing es mit einer so geschickten Bewegung auf, daß Flanders blinzelte.
Er wählte die Nummer, und ein paar Augenblicke später war die Verbindung hergestellt. Der Decoder verzerrte Cassandras Stimme zwar, doch sie war dennoch einigermaßen verständlich.
»Hi, Cassandra«, sagte Shane. »Ist Gillie in der Nähe?«
»Ja.«
»Gut. Schalte auf Lautsprecher.«
Dani beobachtete Shane mit angehaltenem Atem. Wieder konnte man seine Konzentration förmlich greifen, während er auf die zweite Leitung wartete.
»Wir sind uns sicher, daß die Seide sich in einem Lagerhaus im International District von Seattle befindet«, meldete Shane.
»Wie ist sie da hingekommen?« fragte Cassandra.
»Im Bauch einer Buddhafigur.«
»Kämst du ran ohne Aufsehen?« erkundigte sich Gillespie.
»Negativ. Argusaugen wachen über sie. Hat der fette japanische Karpfen schon das Land verlassen?«
»Bleib dran«, sagte Cassandra. »Gillie ruft in Japan an.«
Dreißig Sekunden später hatte Shane seine Antwort. Er gab sie an seine ungeduldige Truppe im Lieferwagen weiter.
»Die Tokioer Agenten sind Koyama bis zum Narita Airport gefolgt«, berichtete Shane. »Er hält
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