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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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diesem Abend hatte sie schon gegessen, und wegen des Regens ging sie nicht arbeiten. Aber im Übrigen ist es auch nicht zwingend ein Mann gewesen, der den Mord begangen hat. Ebenso gut kann es die geheimnisvolle Besucherin gewesen sein. Die elegante Dame vom Nachmittag .«
    Das kommt leider für mich aufs selbe raus. Linda bringt uns zwei Halbe Bier und sieht uns fragend an. Es kommt nicht alle Tage vor, dass einer von der Sittenpolizei in der Öffentlichkeit mit einem Transvestiten anstößt. Damit kompromittiert er mich, als wäre ich ein Spitzel. Aber ich glaube, das merkt er gar nicht. Er ist nur gekommen, um mich zu informieren.
    »Gibt es ein Problem?«, fragt Linda, während sie die Gläser auf den Tisch stellt.
    »Mord«, murmelt Mossa leise.
    Linda sieht mich an. Ich sage:
    »Maeva .«
    »O verflucht, die Arme!«, ruft Linda. »Wann ist das passiert?«
    »Heute Nacht, gegen Mitternacht«, erklärt Mossa.
    »Direkt nachdem du nach Hause gekommen bist . Wie gut, dass du sie nicht besuchen gegangen bist . «, meint Linda erschüttert.
    Ich zucke die Schultern.
    »Schade, meinst du. Der Typ hätte es vielleicht nicht versucht, wenn .«
    Sie will noch mehr Einzelheiten wissen, die Mossa ihr freundlicherweise erzählt, dann läuft sie zur Theke, um Laszlo zu informieren. Sie kennen uns alle seit langem. Die Kneipe gehört zu den wenigen Lokalen, die nachts geöffnet sind, und hier treffen sich alle Nachtschattengewächse. Von hier aus kann man durch die Altstadt ziehen, zum Bahnhof, zum Hafen, zum Quai des Etats-Unis, zur Promenade .
    »Bist du sicher, dass du nichts weißt, was uns weiterhelfen könnte, Bo?«, beharrt Mossa.
    Ich sehe ihm direkt in die Augen und verneine, und das entspricht auch in etwa der Wahrheit. Er erhebt sich, legt Geld auf den Tisch und rät mir, wie immer, auf meine Gesundheit zu achten. Ich trinke sein Bier aus, danach meines.
    Anschließend gehe ich hinaus, um Johnny aufzulauern. Ich weiß, dass es zu früh ist, aber ich bin so nervös . Und übrigens ist es gar nicht zu früh, denn er taucht auf der Straße auf, ist bereits umgezogen und scheint es eilig zu haben. Ich laufe zu ihm und komme mir dabei vor wie ein Pudel, der mit hängender Zunge sein Herrchen anhimmelt. Und Johnny wirft mir genau den aufgebrachten Blick des Hundebesitzers zu, dessen Hund Gassi gehen will.
    »Das gibt's doch nicht!«, ruft er aus und versetzt einer Blechbüchse einen heftigen Fußtritt.
    »Kann ich mitkommen?«
    »Mitkommen? Verschwinde, los!«
    Ich folge ihm.
    »O nein, Bo, du wirst doch nicht schon wieder anfangen! Ich habe dir doch gesagt, dass ich jemanden habe.«
    »Du lügst.«
    Wie erstarrt bleibt er stehen.
    »Du schimpfst mich einen Lügner?«
    »Du lügst, Johnny. Ich weiß es. Ich weiß es. Ich spüre es.«
    »Verdammter Mist, nun lass mich doch endlich mal in Ruhe!«
    »Ich werde hinter dir gehen und nichts sagen.«
    Er macht eine Geste, als wolle er sich die Haare ausreißen. Dann beugt er sich zu mir vor, packt mich an der Gurgel und stößt mich gegen die Mauer.
    »Okay, Bo. Du willst mitkommen, also komm mit. Aber beklag dich hinterher bloß nicht!«
    Er unterstreicht seinen Satz mit einem bösartigen Hieb zwischen meine Beine, der auf mich wie ein glühendes Versprechen wirkt. Mit schnellen Schritten entfernt er sich, und ich trotte unter dem verblüfften Blick einer Frau im weißen Jogginganzug, die ihre beiden Windhunde spazieren führt, hinterher.
    Ohne sich umzudrehen, geht er vor mir, sicher, dass sein Sklave ihm folgt. Ich wünsche mir, dass er mich an einer Leine spazieren führt, und mir mit knappen, ruckartigen Bewegungen klar macht, dass ich bei Fuß zu gehen habe.
    Ich würde mich gerne neben ihn setzen und meinen Kopf auf seine Knie legen, während er im Lichtschein eines gelben Lampenschirms aus den fünfziger Jahren seine Zeitung liest - wie man es in alten Lesebüchern sieht. Ich wünsche mir, ich wünsche mir, ich wünsche mir .
    Damit er seinen Schritt verlangsamt, rufe ich:
    »Maeva ist ermordet worden!«
    Er dreht kaum den Kopf nach mir um.
    »Wer ist Maeva?«
    »Meine Freundin, die Tahitianerin. Ich habe sie dir eines Abends gezeigt.«
    »Hat mich offenbar nicht sehr beeindruckt. War sie hübsch?«
    »Nicht besonders.«
    »Aha, ich verstehe .«
    »Sie ist heute Nacht umgebracht worden. Man hat ihr die Kehle durchgeschnitten.« Heute Nacht. Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden. Und heute Nachmittag war ich in ihrem Wohnzimmer, das nach Tod stank.
    »Pech für sie.

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