Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
›rosa‹ gesagt, weil er rosa ist . Ich sehe rosa, nicht rot.«
»Und dann reagieren Sie?«
O ja, dann reagierte er …
Er sah seine Frau an. »Die werde ich nicht brauchen.«
»Du nimmst mich nicht ernst.«
Da nahm Reeve doch lieber die Pillen.
Joan hatte Allan gesagt, dass sie Bakunin zum Tierarzt bringen würden. Der Kater hatte sich dagegen gesträubt, sich in seine Transportbox stecken zu lassen, und Allan hatte gefragt, was er denn habe.
»Nichts Schlimmes.« Dabei hatte sie ihren Mann angesehen.
Reeve stand in der Tür und winkte ihnen nach, dann lief er zur Straße, um ihnen hinterherzusehen. Er nahm nicht an, dass man ihnen folgen würde. Joan fuhr Allan jeden Morgen zur Schule, und das war ein Morgen wie jeder andere auch. Er ging zum Haus zurück und blieb im Flur stehen.
»Ganz allein«, sagte er laut.
Er fragte sich, ob sie kommen würden, jetzt wo er allein war. Er hoffte es. Er hatte, für den Fall, schon ein paar Überraschungen für sie vorbereitet. Er verbrachte den ganzen Tag damit, auf sie zu warten und mit ihnen zu reden.
»Sie kommt nicht zurück«, sagte er irgendwann in den Telefonhörer. »Keiner von ihnen. Ich bin allein.« Trotzdem ließen sie sich nicht blicken. Er machte eine Runde durch das Haus, packte eine kleine Reisetasche und vergewisserte sich, dass er die Liste der Telefonnummern für Notfälle dabei hatte. Zu Mittag aß er eine gebutterte Scheibe Brot und döste dann eine Stunde lang am Küchentisch (nachdem er sich zuerst vergewissert hatte, dass alle Türen und Fenster fest verriegelt waren). Anschließend fühlte er sich besser. Er hatte das Bedürfnis, unter die Dusche zu gehen oder sich in die Wanne zu legen, aber ihm behagte die Vorstellung nicht sonderlich, von ihnen dabei überrascht zu werden, wie er sich gerade den Rücken einseifte. Also begnügte er sich mit einer Katzenwäsche.
Am späteren Nachmittag stellte er bei sich die ersten Anzeichen eines Lagerkollers fest. Er überprüfte noch einmal die Fenster, schaltete die Alarmanlage ein und schloss das Haus ab. Er hatte die Reisetasche bei sich. Er ging zum Geiselraum und schloss beide Türen auf. Die Türen sahen von außen völlig unscheinbar aus, aber zusätzlich zu den Vorhängeschlössern und den Riegeln wiesen sie auf der Innenseite eine schwere Verkleidung aus Schmiedestahl auf – eine weitere Hürde für eventuelle Eindringlinge. Im kleinen Flur, der zum eigentlichen Zimmer führte, kniete er sich hin und löste ein langes Stück Fußleiste von der Wand. Es ging sauber ab. Dahinter befand sich eine in die Wand eingelassene Stahlkassette. Reeve schloss sie auf und öffnete die Klappe. Das Geheimfach enthielt ein Sortiment an Handfeuerwaffen. Großkalibrige Schusswaffen besaß er auch, aber die verwahrte er in einem Stahlschrank in der ehemaligen Speisekammer des Wohnhauses. Er nahm eine der Pistolen in die Hand. Sie war in ein geöltes Tuch eingewickelt. Was hätte einem auch ein Geiselraum ohne Waffen genützt? Bei den Special Forces hatten sie fast immer mit scharfer Munition geübt. Das war die einzige Möglichkeit, Respekt vor den Dingern zu bekommen.
Reeve hatte scharfe Munition für die Schusswaffen. Er hielt jetzt eine Beretta 9mm in der Hand. Pistolen waren immer schwerer, als die Leute erwarteten. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass Pistolen immer mit Kindheit in Verbindung gebracht wurden und Kindheit eben Spielzeugpistolen aus Plastik bedeutete, oder ob Film und Fernsehen daran schuld waren, mit ihren munter Knarren schwingenden Guten und Bösen, Kerlen, die eine Panzerfaust abfeuern und anschließend noch zehn Runden gegen den weltstärksten Oberschläger durchstehen konnten – während sie im wirklichen Leben schon längst mit einer ausgekugelten Schulter in der Notaufnahme liegen würden.
Die Beretta war gerade schwer genug, um einem klarzumachen, dass sie tödlich war. Im Geiselraum verwendeten sie Platzpatronen. Aber selbst damit konnte man sich verletzen, sich am Mündungsfeuer verbrennen. Und er hatte schon Wochenendkrieger erlebt, die nach dem ersten Schuss wie Salzsäulen mit vollgeschissener Hose dagestanden und die Pistole in ihrer schreckgefrorenen Hand so angestarrt hatten, als sei sie ein sehr unsauberer, stinkender Fremdkörper, während die Explosion noch in ihren Herzkammern nachhallte.
Vielleicht brauchte er eine Schusswaffe. Nur um diesen Leuten einen Schrecken einzujagen. Aber einen Schrecken konnte man jemandem nur einjagen, wenn man es ernst meinte und
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