Sein Bruder Kain
der besseren Gesellschaft über den Weg laufen!« sagte er finster.
»Eine Vergewaltigung würde mich bei den Einheimischen dort wahrscheinlich nur noch glaubwürdiger machen.«
»Ich würde die Sache nur zur Sprache bringen, wenn Sie vorhaben, dortzubleiben«, erwiderte sie spitz und wandte sich zum Gehen. »In der Zwischenzeit halten Sie Ihr Pulver trocken, und seien Sie auf der Hut.«
Er salutierte sarkastisch. »Jawohl, General, Sir!«
Als er das Haus der Ravensbrooks verließ, fühlte Monk sich schon ein wenig besser. Der Zorn kochte zwar noch in ihm, und die Angst war auch noch vorhanden. Nichts hatte sich verändert. Aber er stand nicht mehr allein da.
Er ging den Fußweg entlang, ignorierte die Leute, die an ihm vorbeiliefen, und konnte es nur mit Mühe verhindern, jemanden anzurempeln. Selbst den mit Ruß durchmischten Regen, der ihm ins Gesicht schlug, nahm er kaum wahr. Er würde herausfinden, wo Caleb seinen Bruder ermordet hatte. Er würde vielleicht keine Leiche finden, aber er würde seinen Tod beweisen, und er würde Caleb dafür hängen sehen. Irgendwo gab es einen Beweis, einen Zeugen, eine Verkettung von Ereignissen, die Caleb ans Messer liefern würden. Es lag an Monk, hartnäckig zu bleiben, bis er etwas gefunden hatte - was immer es war und was immer es kostete, es zu enthüllen.
Es war bereits Mittag, als er die Isle of Dogs erreichte und abermals das Haus in der Manila Street aufsuchte, um mit Selina zu sprechen. Zuerst weigerte sie sich, ihn einzulassen. Sie sah eingeschüchtert aus, und er vermutete, daß es nicht so lange her war, seit Caleb sich von ihr verabschiedet hatte. Ihr Schweigen war eine Mischung aus Loyalität und Angst. Die Angst zumindest schien wohlbegründet.
Er stand ihr in dem kleinen, kalten, sauberen Zimmer gegenüber.
»Er hat Angus getötet, und ich werde es beweisen«, sagte er mit brutaler Offenheit. »Auf die eine oder andere Weise werde ich ihn dafür baumeln sehen. Ob Sie mir dabei helfen oder ob Sie mit ihm baumeln, das liegt ganz an Ihnen.«
Sie sagte nichts. Sie sah ihn trotzig an, den Kopf arrogant zur Seite geneigt, eine Hand in die Hüfte gestützt, als wäre sie sich ihrer selbst sehr sicher. Aber er sah, daß ihre Knöchel weiß waren, und konnte die Angst aus ihrer Stimme heraushören.
»Sie halten ihn für ein gefährliches Schwein«, sagte er grimmig. »Wenn Sie erst richtig mit mir aneinandergeraten sind, wird er Ihnen wie der Inbegriff eines zivilisierten Menschen erscheinen.«
»Es ist sein Leben«, erwiderte sie voller Verachtung, während sie Monk von oben bis unten musterte, den prächtig geschnittenen Mantel und die blankpolierten Stiefel. »Sie wissen nicht einmal, was das ist, ein gefährlicher Mann.«
»Glauben Sie mir, ich habe selbst kaum etwas zu verlieren«, sagte er leidenschaftlich.
Sie starrte ihn an, schaute in seine Augen, und langsam veränderten sich ihre Züge. Sie erhaschte einen Blick auf den Zorn und die Verzweiflung in ihm, und die Verachtung erstarb.
»Ich weiß nicht, wo er ist«, sagte sie leise.
»Das habe ich auch nicht erwartet. Ich will wissen, wo er sich mit Angus getroffen hat; ich will, daß Sie mir jeden Ort nennen, von dem Sie wissen, daß die beiden ihn zusammen besucht haben oder haben könnten. Er hat Angus ermordet. Irgendwo ist irgend jemand, der etwas darüber weiß.«
»Aber niemand wird Ihnen etwas verraten!« Wieder hob sie mit einer Mischung aus Trotz und Stolz das Kinn.
»O doch.« Er lachte bitter. »Was auch immer Caleb den Leuten antun könnte, das lange Warten der letzten Nacht, und dann um acht Uhr morgens der Gang zum Seil des Henkers sind schlimmer.«
Sie stieß einen wilden Fluch aus, und der Haß in ihren Augen erinnerte ihn an Drusilla. Und er ließ jedes Mitleid, das er sonst vielleicht für sie empfunden hätte, ersterben.
»Wo haben sie sich getroffen?« fragte er noch einmal. Schweigen.
»Haben Sie schon einmal die Leiche eines Gehängten gesehen?« Er warf einen vielsagenden Blick auf ihren schlanken Hals.
»Im Artichoke, in der Nähe der Blackwall Stairs. Aber das wird Ihnen nichts nützen. Die Leute dort werden Ihnen nichts erzählen. Ich hoffe, Sie verrotten in der Hölle. Ich hoffe, die Leute da ertränken Sie in einer Jauchegrube und verfüttern Ihre Leiche an die Ratten.«
»Ist es das, was er mit Angus gemacht hat?«
»Mein Gott, ich weiß es nicht!« Aber unter der Schminke war ihr Gesicht sehr blaß, und in ihren Augen stand blankes Entsetzen. »Und jetzt raus
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