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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Rechnungsbücher überprüft haben, Mr. Arbuthnot, und natürlich auch alle Gelder, die hier aufbewahrt werden?«
    »Diese Sache ist wirklich sehr unerfreulich, Sir«, sagte Arbuthnot mit gepreßter, leiser Stimme. »Aber Sie haben recht, ich habe mich verpflichtet gefühlt, das zu tun, auch wenn ich ganz sicher war, daß alles in bester Ordnung sein würde.«
    »Und war es so?« drängte Monk.
    »Ja, Sir, bis auf den Farthing genau. Für jede Ausgabe liegen Belege vor, ganz wie es sein sollte.« Er zögerte keine Sekunde, und seine Augen flackerten nicht. Vielleicht war es seine absolute Festigkeit, die Monk den Eindruck vermittelte, daß da noch etwas kommen würde.
    »Um wieviel Uhr ist Mr. Stonefield an bewußtem Morgen ins Büro gekommen?« fragte er. »Vielleicht könnten Sie mir einfach alles erzählen, was Ihnen von diesem Tag noch in Erinnerung geblieben ist, und zwar in der Reihenfolge, in der es sich zugetragen hat.«
    »Ja… ähm, natürlich.« Arbuthnot schauderte ein wenig, drehte sich dann um und griff nach dem Schürhaken, der am Kamin hing, um dem Feuer ein wenig nachzuhelfen. Als er weitersprach, hatte er Monk noch immer den Rücken zugekehrt.
    »Er kam wie gewöhnlich um Viertel nach neun. Die erste Post war bereits zugestellt worden. Er hat sie mit ins Büro genommen und gelesen…«
    »Wissen Sie, worum es sich dabei gehandelt hat?« unterbrach Monk ihn.
    Arbuthnot widmete sich noch einen Augenblick dem Feuer und hängte den Schürhaken dann an seinen Platz zurück.
    »Bestellungen, Lieferscheine, Avisierungen von Schiffsfrachten und ein Bewerbungsschreiben um eine Stellung als Gehilfe.« Er seufzte. »Ein sehr vielversprechender junger Mann, aber wenn Mr. Stonefield nicht zurückkommt, bezweifle ich, daß wir auch nur die Leute halten können, die wir bereits haben, ganz zu schweigen von der Einstellung zusätzlichen Personals.«
    »Und das war alles? Sie sind sich da ganz sicher?« Monk überging die Frage von Stonefields Rückkehr und der möglicherweise notwendig werdenden Entlassung seiner Angestellten. In dieser Hinsicht hatte er nichts Hilfreiches zu sagen.
    »Ja, das bin ich«, sagte Arbuthnot fest. »Ich habe den jungen Barton deswegen befragt, und er konnte sich genau erinnern. Sie können ihn auch selbst fragen, wenn Sie möchten, aber mit der Post ist nichts gekommen, was Mr. Stonefields Fortgang veranlaßt haben könnte, dessen bin ich mir ganz sicher.«
    »Irgendwelche Besucher?« fragte Monk, wobei er Arbuthnot genau beobachtete.
    »Äh…« Er zögerte. »Ja.«
    Monk sah ihn abwartend an. Er fühlte sich sichtbar unwohl, aber man konnte nicht sagen, ob das auf Verlegenheit, Schuldbewußtsein oder nur das allgemeine Unbehagen zurückzuführen war, daß er über jemanden reden mußte, den er geschätzt und respektiert hatte und der jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach tot war. Und natürlich würde auch er, falls das Geschäft verkauft oder geschlossen werden mußte, sein Auskommen verlieren.
    »Wer?« hakte Monk nach.
    Arbuthnot betrachtete den Fußboden zwischen ihnen.
    »Mr. Niven. Er betreibt selbst ein ähnliches Geschäft. Das heißt… er… betrieb es.«
    »Und jetzt?«
    Arbuthnot holte tief Luft. »Ich fürchte, die Zeiten sind sehr hart für ihn.«
    »Warum ist er hierhergekommen? Von Ihrem Gehilfen habe ich, als ich gestern hier war, erfahren, daß Mr. Nivens Mißgeschick vor allem auf Mr. Stonefields überlegene Fähigkeiten zurückzuführen ist?«
    Arbuthnot blickte hastig auf, und in seinem langen Gesicht stand deutlicher Tadel. »Wenn Sie glauben, Mr. Stonefield hätte ihn mit Absicht aus dem Geschäft gebracht, Sir, befinden Sie sich im Irrtum, und zwar völlig! Das war niemals seine Absicht. Man muß einfach immer sein Bestes geben, wenn man selbst überleben will. Und Mr. Stonefield war eben schneller und sicherer in seinem Urteil. Er ist niemals im eigentlichen Sinn ein Risiko eingegangen«, meinte er kopfschüttelnd, »wenn Sie verstehen, was ich meine? Aber er hat sich immer genau über die jeweiligen Entwicklungen informiert, und er war in Geschäftskreisen wohlgelitten. Die Leute vertrauten ihm in Situationen, in denen sie anderen vielleicht nicht getraut hätten.« Eine Sorgenfalte stand auf seiner Stirn, und er sah Monk forschend an, um sich zu vergewissern, daß dieser wirklich verstanden hatte, was er sagte.
    Entsprang seine absolute Aufrichtigkeit dem Wunsch, seine Position zu sichern für den Fall, daß Stonefield doch noch zurückkehren würde, oder

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