Sein Bruder Kain
Leiche in eine Hafenkloake oder in den Fluß geworfen hatte.
»Ich danke Ihnen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ich werde morgen gleich bei Tagesanbruch beginnen. Und jetzt möchte ich mich empfehlen. Gute Nacht, Mylady, Mylord.«
2
Monk hatte eine unruhige Nacht und war am nächsten Morgen schon früh auf den Beinen, um seine Suche nach Angus Stonefield wiederaufzunehmen, obwohl er zu seinem Unwillen feststellen mußte, daß er bereits selbst davon ausging, daß Genevieve mit ihren Befürchtungen recht hatte und er in Wahrheit nur nach einem Beweis für seinen Tod suchte. Aber was er auch finden mochte, es war unwahrscheinlich, daß es sie glücklich machen würde. Wenn Angus mit Geld oder einer anderen Frau durchgebrannt war, würde ihr das nicht nur ihre Zukunft rauben, sondern in gewisser Weise auch ihre Vergangenheit, alles, was gut gewesen war und was sie für die Wahrheit gehalten hatte.
Der Hansom setzte ihn in der Waterloo Road ab.
Es hatte aufgehört zu regnen, und der Tag war kalt und windig, mit schnell dahinjagenden Wolken. Ein schneidender Ostwind, der den Salzgeruch der hereinkommenden Flut und den Ruß und Qualm ungezählter Schornsteine mit sich trug, stieg vom Fluß auf. Monk wich hastig einer Kutsche aus und sprang auf den Gehsteig.
Dann stellte er seinen Mantelkragen noch ein wenig höher auf und ging mit langen Schritten auf Angus Stonefields Geschäft zu. Die Hausdiener hatten ihm am gestrigen Abend nichts von Bedeutung erzählen können. Niemand hatte irgend etwas Ungewöhnliches im Benehmen des verschwundenen Mannes festgestellt, der wie immer um sieben Uhr aufgestanden war und mit seiner Frau gefrühstückt hatte, während sein Nachwuchs im Kinderzimmer aß. Nachdem er die Zeitung und die Post, soweit schon zugestellt, gelesen hatte, brach er rechtzeitig auf, damit er wie gewohnt um halb acht im Büro war. Er unterhielt keine eigene Kutsche, sondern benutzte einen Hansom.
Am Tag seines Verschwindens hatte er den Tag genauso begonnen wie sonst auch. Mit der Morgenpost waren einige kleine Haushaltsrechnungen gekommen sowie eine Einladung und ein höflicher Brief von einem Bekannten. Abgesehen von den unvermeidlichen Händlern und einer Freundin Genevieves, die am Nachmittag zum Tee kam, war kein Fremder im Haus gewesen.
Monk war zu früh dran und mußte eine Viertelstunde warten, bis Mr. Arbuthnot erschien, einen Regenschirm in der Hand, auf dem Bürgersteig von Norden her kommend; er wirkte gehetzt und unglücklich. Arbuthnot war ein kleiner Mann mit dichtem, grauem Haar und einem makellos zurechtgestutzten grauen Schnurrbart.
Monk stellte sich vor.
»Äh!« sagte Arbuthnot nervös. »Ja. Das war wohl unvermeidlich.« Er zog einen Schlüssel aus der Manteltasche und steckte ihn ins Schloß der Eingangstür. Mit einiger Mühe gelang es ihm, sie zu öffnen.
»So denken Sie darüber?« sagte Monk mit einiger Überraschung. »Sie haben etwas in der Art vorhergesehen?« Arbuthnot drückte die Tür auf. »Nun, irgend etwas muß schließlich geschehen«, sagte er traurig. »Wir können nicht einfach so weitermachen. Kommen Sie bitte herein. Erlauben Sie mir, diese elende Tür zu schließen.«
»Sie müßte mal geölt werden«, bemerkte Monk, dem klarwurde, daß Arbuthnot sich auf seine, Monks, Nachforschungen bezogen hatte und nicht auf das Verschwinden seines Arbeitgebers.
»Ja, ja«, pflichtete Arbuthnot ihm bei. »Ich habe es Jenkins immer wieder gesagt, aber er hört einfach nicht auf mich.« Dann ging er in das noch immer leere und ruhige Hauptbüro und entzündete die Lampen; das graue Licht, das durch die Fenster fiel, reichte nicht zum Arbeiten. Monk folgte ihm durch die Glastüren in sein eigenes, behaglicher eingerichtetes Büro. Mit einer leise gemurmelten Entschuldigung bückte Arbuthnot sich und hielt ein Streichholz an das bereits sorgfältig im Kamin aufgestapelte Holz und stieß dann einen Seufzer der Zufriedenheit aus, als die ersten Flammen aufloderten. Dann entzündete er auch hier die Lampen, zog seinen Mantel aus und lud Monk ein, dasselbe zu tun.
»Was kann ich Ihnen erzählen, das Ihnen vielleicht weiterhelfen könnte?« sagte er, während er unglücklich die Brauen zusammenzog. »Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, sonst hätte ich das sicher schon lange den Behörden gemeldet, und wir wären jetzt nicht in dieser schrecklichen Lage.«
Monk setzte sich auf den ziemlich unbequemen, steifen Stuhl Arbuthnot gegenüber. »Ich gehe davon aus, daß Sie die
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