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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zustand tiefen Schocks zu befinden, seine Augen waren in ihre Höhlen gesunken, und sein Blick war leer. Er atmete durch den Mund, stöhnte leise und schluckte immer wieder. Sein Körper war völlig starr, und er zitterte, als hätte er Schüttelfrost. Einer der Wärter stand hinter ihm und drückte ihm ein zusammengerolltes Taschentuch auf die Wunde an seiner Brust, ein zweiter hielt ein Glas Wasser und versuchte, ihn dazu zu bewegen, etwas davon zu trinken, aber er schien den Mann nicht einmal zu hören.
    »Sind Sie der Arzt?« fragte der Wärter mit dem Taschentuch, an Monk gewandt. Rathbone gab sich mit seiner Robe und seiner Perücke augenblicklich als das zu erkennen, was er war.
    »Nein. Aber es ist noch immer eine Krankenschwester in der Nähe, und am besten schicken Sie sofort jemand, der sie holt«, erwiderte Monk. »Ihr Name ist Hester Latterly, und sie ist mit Lady Ravensbrook in deren Kutsche.«
    »Eine Krankenschwester wird uns hier nicht helfen«, sagte der Wärter verzweifelt.
    »Niemand braucht hier eine Schwester, um Gottes willen. Sehen Sie sich den Mann doch an!«
    »Eine Armeeschwester«, präzisierte Monk. »Sie müssen vielleicht eine Meile weit gehen, um einen Arzt zu finden. Und Miss Latterly versteht ohnehin mehr von dieser Art von Verletzungen als die meisten Ärzte hier in der Gegend. Holen Sie sie. Stehen Sie nicht einfach so herum.«
    Der Mann tat wie geheißen und war wahrscheinlich froh, auf diese Weise entkommen zu können.
    Monk drehte sich um und sah Ravensbrook an, betrachtete kurz sein Gesicht, ließ den Gedanken, den er dabei hatte, dann fallen und wandte sich statt dessen an den anderen Wärter.
    »Was ist passiert?« fragte er. »Berichten Sie uns genau, was geschehen ist, und zwar in der Reihenfolge, wie Sie die Ereignisse in Erinnerung haben. Fangen Sie mit Lord Ravensbrooks Ankunft an.«
    Er fragte nicht, wer Monk war oder welches Recht er hatte, Erklärungen zu verlangen. Der Ton seiner Stimme genügte, und er war geradezu erleichtert, die Verantwortung einem anderen in die Hände legen zu können.
    »Seine Lordschaft kam mit einem Erlaubnisschreiben vom Hauptwärter, weil er den Gefangenen besuchen wollte«, antwortete er. »Er war ja eine Art Verwandter, nicht wahr, also sprach nichts dagegen.«
    »Wo ist der Hauptwärter?« unterbrach Rathbone ihn.
    »Zum Richter raufgegangen«, erwiderte der Wärter.
    »Was dann geschehen ist, weiß ich nicht. Ist mir noch nie passiert, daß jemand mitten in 'ner Verhandlung umgebracht wurde, jedenfalls nicht, solange ich hier bin.« Er schauderte. Er hatte von dem Wasser getrunken, das eigentlich für Ravensbrook bestimmt war, und das Glas drohte überzuschwappen, da seine Hand heftig zitterte.
    Rathbone nahm ihm das Glas ab und stellte es weg.
    »Also haben Sie die Zelle geöffnet und Lord Ravensbrook eingelassen?« fragte Monk nach.
    »Ja, Sir. Und natürlich habe ich hinter ihm abgeschlossen. Der Gefangene stand schließlich wegen eines Gewaltverbrechens vor Gericht, nicht wahr, also war das nötig.«
    »Natürlich war es das«, pflichtete Monk ihm bei. »Was ist dann passiert?«
    »Nichts, jedenfalls für fünf Minuten oder so.«
    »Sie haben hier draußen gewartet?«
    »Natürlich.«
    »Und nach den fünf Minuten?«
    »Seine Lordschaft, Lord Ravensbrook, klopfte an die Tür und wollte rauskommen. Ich fand, daß das ziemlich schnell ging, aber das war nicht meine Sache. Also habe ich ihn rausgelassen. Aber er war noch nicht fertig.« Er drückte immer noch das zusammengerollte Taschentuch auf Ravensbrooks Brust, und das Blut sickerte durch seine Finger. »Er sagte, der Gefangene wollte seinen letzten Willen aufschreiben und ob ich Papier hätte und eine Feder und Tinte«, fuhr er fort. Seine Stimme klang heiser. »Hm, natürlich hatte ich die Sachen nicht bei mir, ja, aber ich habe ihm gesagt, ich könnte sie besorgen, was ich auch getan habe. Stimmt das nicht, Mylord?« Er sah zu Ravensbrook hinunter, aber der schien ihn nicht wahrzunehmen.
    »Sie haben die Sachen holen lassen. Wen haben Sie geschickt?« drängte Monk.
    »Jimson, den anderen Burschen, der mit mir Wache hatte. Sie haben ihn gerade losgeschickt, die Krankenschwester zu holen.«
    »Und Sie haben die Zellentür wieder verschlossen?«
    »Natürlich habe ich sie verschlossen.« Er klang entrüstet.
    »Und Lord Ravensbrook hat hier draußen bei Ihnen gewartet?«
    »Ja, das hat er.«
    »Hat er irgend etwas gesagt?«
    Ravensbrook saß stocksteif auf seinem Stuhl und gab

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