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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Haar flatterte im Wind, und sein Gesicht war aschfahl. Er drängte sich an einem Gerichtsdiener vorbei, wobei er den Mann um ein Haar umgerannt hätte.
    »Was ist passiert?« fragte Rathbone, plötzlich voll Furcht.
    »Was ist geschehen, Mann? Sie sehen furchtbar aus!«
    Goode packte ihn am Arm und drehte ihn halb zu sich um.
    »Er ist tot! Es ist alles vorbei. Er ist tot!«
    »Wer ist tot?« fragte Monk. »Wovon reden Sie?«
    »Caleb.« Seine Stimme war heiser. »Caleb ist tot.«
    »Das ist unmöglich!« Rathbone wußte, noch bevor er sie ausgesprochen hatte, wie töricht seine Worte waren. Er versuchte die Wirklichkeit zu leugnen, weil sie häßlich war und er sie nicht glauben wollte.
    »Wie?« fragte Monk, ohne Rathbone noch einmal zu Wort kommen zu lassen. »Was ist passiert? Hat er sich selbst getötet?« Er stieß einen heftigen Fluch aus und hob die geballte Faust. »Wie konnten die Wärter nur so verdammt dumm sein? Obwohl ich nicht weiß, warum mich diese Sache so trifft! Für den armen Teufel ist es besser, als sich der langen Tortur eines gerichtlich verfügten Todes aussetzen zu müssen. Ich sollte eigentlich froh sein.« Er stieß die Worte zwischen den Zähnen hervor, und seine Stimme klang hart und heiser. »Warum kann ich es nicht?«
    Rathbone schaute von Monk zu Goode. Dieselben widersprüchlichen Gefühle tobten auch in ihm. Er hätte dankbar sein müssen. Caleb hatte zu guter Letzt doch noch gestanden. Er hatte Erfolg gehabt. Die Worte des Duke of Wellington hallten in seinen Ohren wider - das Zweitschlimmste nach einer verlorenen Schlacht war eine gewonnene Schlacht. Diese Sache hatte nichts mit einem Sieg zu tun.
    »Es war kein Selbstmord«, sagte Goode mit zittriger Stimme.
    »Ravensbrook hat ihn in seiner Zelle besucht, so wie er es wünschte. Anscheinend hatte Caleb Angst, daß man ihn schuldig sprechen würde. Er sagte, er wolle eine schriftliche Aussage machen. Vielleicht hatte er vor, ein Geständnis abzulegen oder irgendeinen Hinweis zu geben, wer weiß? Ravensbrook kam jedenfalls noch einmal heraus, um sich eine Feder und ein Blatt Papier geben zu lassen. Beides hat er dann wieder mit hineingenommen. Anscheinend war die Feder stumpf. Er holte sein Taschenmesser heraus, um sie anzuspitzen…«
    Rathbone wurde übel, als kenne er die Worte, noch bevor sie ausgesprochen wurden. »Caleb machte plötzlich einen Satz nach vorn, packte das Messer und griff Ravensbrook an«, sagte Goode, dessen Blick zwischen Rathbone und Monk hin und her ging.
    Rathbone war überrascht. Es war also doch nicht so, wie er angenommen hatte.
    »Sie haben miteinander gerungen«, fuhr Goode fort. »Der arme Ravensbrook hat eine schlimme Schnittwunde davongetragen.«
    »Gott helfe ihm«, sagte Rathbone leise. »Das war nicht das Ende, das ich mir gewünscht habe, aber vielleicht ist es nicht das Schlimmste, was passieren konnte. Vielen Dank, Goode. Danke, daß Sie mir Bescheid gesagt haben.«

11
    Rathbone war wie betäubt von der Neuigkeit. Das Ganze war ungeheuerlich, wenn auch nicht in jeder Hinsicht tragisch. Seines Wissens hatte es so etwas noch nie gegeben, jedenfalls nicht in dieser Art.
    Monk stand noch immer völlig regungslos und mit finsterer Miene da.
    »Kommen Sie«, sagte Rathbone sanft. »Es ist alles vorüber.« Monk rührte sich nicht von der Stelle. »Nein, das ist es nicht.
    Ich verstehe es nicht.«
    Rathbone lachte unvermittelt auf. »Tun Sie das denn jemals? Versteht jemals einer von uns irgend etwas? Wenn Sie dachten, er würde Ihnen erzählen, was er mit Angus angestellt oder warum er ihn jetzt getötet hat und nicht irgendwann vor Jahren, haben Sie sich etwas vorgemacht. Der unglückselige Mann war wahnsinnig. Gütiger Gott, war das nicht Beweis genug? Die Eifersucht hatte ihn in den Irrsinn getrieben. Was gibt es da groß zu verstehen.«
    »Warum er Ravensbrook jetzt angegriffen hat«, erwiderte Monk und drehte sich um, um die Treppenstufen hinaufzusteigen. »Was könnte er sich davon versprochen haben?«
    »Überhaupt nichts!« sagte Rathbone ungeduldig, während er hinter ihm her eilte. »Was hat er sich davon versprochen, daß er Angus tötete? Nicht mehr, als daß er seinem Haß Luft machen konnte. Vielleicht hat er für Ravensbrook dasselbe empfunden. Er hatte nichts zu verlieren. Man kann ihn schließlich nicht zweimal hängen.«
    »Aber es stand noch gar nicht fest, daß man ihn überhaupt hängen würde!« entgegnete Monk scharf, als sie durch die Türen in die Halle kamen. »Goode

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