Sein Bruder Kain
in ihren voluminösen Röcken, folgte ihrem Mann ins Haus und ließ die Tür hinter sich zufallen.
Monk drehte sich zu Drusilla um. In ihrem Gesicht stand ein Ausdruck des Triumphes, ihre Augen leuchteten, und ihre Wangen glühten. Trotz seiner Genugtuung darüber, daß es ihm gelungen war, Angus' Weg am Tag seines Verschwindens bis zur Isle of Dogs, ja sogar bis hinein in eine ganz bestimmte Taverne zurückzuverfolgen, überwog seine Freude an ihrer Gesellschaft jedoch alle anderen Gefühle, und als er sie jetzt ansah und wieder einmal dachte, wie hübsch sie doch war, verspürte er eine seltsame Erregung.
»Sollen wir unsere Suche ins Artichoke verlegen und etwas zu Mittag essen?« fragte er augenzwinkernd. »Ich meine, wir hätten es verdient.«
»Das haben wir wirklich«, stimmte sie ihm von ganzem Herzen zu und nahm seinen Arm. »Und zwar das Beste, das es dort gibt.«
Sie aßen im Artichoke, und Monk versuchte, mit dem Gastwirt zu sprechen, einem stämmigen Mann mit rotem Gesicht und gewaltiger Nase, die als Folge einer alten Verletzung ziemlich schief saß. Aber er war beschäftigt und höchst abgeneigt, irgendwelche Fragen zu beantworten, die nichts mit der Rechnung zu tun hatten. Monk erfuhr nichts von ihm, außer daß seine Wirtsstube einen hervorragenden Treffpunkt für zwei Männer abgeben würde, die sich ungestört unterhalten wollten.
Danach versuchten sie es noch in einigen weiteren Läden und bei Passanten, aber in dem dichten Nebel des sich zunehmend verdüsternden Nachmittags befanden sich nur noch wenige Menschen auf den Straßen. Um drei Uhr bot Monk Drusilla an, sie nach Hause zu bringen. Es war bitter kalt, und der rauhe Wind drang durch sämtliche Kleider, außerdem mußte sie auch sehr erschöpft sein.
»Vielen Dank, aber Sie brauchen mich nicht zu begleiten«, sagte sie mit einem Lächeln. »Ich weiß, daß Sie weitermachen wollen, bis es dunkel ist.«
»Natürlich bringe ich Sie nach Hause«, beharrte er. »Sie sollten in einer Gegend wie dieser hier nicht allein umherirren.«
»Unfug!« sagte sie energisch. »Wir gehen diese Sache als Partner an. Höflichkeit akzeptiere ich, aber ich weigere mich, mich wie ein dummes kleines Mädchen behandeln zu lassen. Rufen Sie mir einen Hansom, und ich werde in einer Stunde zu Hause sein. Wenn Sie mir das Gefühl geben, nur eine Last für Sie zu sein, rauben Sie mir die ganze Freude.« Sie lächelte ihn strahlend und mit einem Lachen in der Stimme an. »Und das wunderbare Gefühl, etwas geleistet zu haben. Bitte, William, ja?« Sie hatte seinen Vornamen noch nie zuvor ausgesprochen. Er fand es seltsam angenehm, ihn von ihren Lippen zu hören.
Und im Grunde hatte sie ja recht. Also gab er nach und brachte sie zur nächsten Hauptstraße, wo er einen Hansom anhielt und ihr hineinhalf, den Fahrer entlohnte und zusah, wie die Kutsche im dichten Nebel verschwand. Augenblicke später war sie wie vom Erdboden verschluckt. Er wandte sich ab und begann seine Arbeit von neuem. Noch eine weitere Stunde verbrachte er damit, Fragen zu stellen und das Terrain zu sondieren. Aber er erfuhr nichts mehr an diesem Tag; er traf nur immer wieder auf Angst vor Caleb Stone und auf Gerüchte, die allesamt unerfreulich waren. Caleb Stone schien schwer faßbar zu sein, er tauchte irgendwo auf und verschwand wieder, wie es ihm paßte, war immer wütend, immer an der Grenze zur Gewalttätigkeit.
Alles, was er mittlerweile wußte, überzeugte ihn nur noch mehr davon, daß Angus Stonefield wirklich tot war und Caleb ihn ermordet hatte, daß der Haß und die Eifersucht, die sich in vielen Jahren aufgestaut hatten, schließlich zum Ausbruch geführt hatten.
Aber wie sollte man das den Geschworenen beweisen? Wie ihnen vermitteln, daß es eine moralische Gewißheit gab, ein erdrückendes Gefühl von Ungerechtigkeit, von Unrecht, auf das ihnen jegliche Antworten verweigert wurden? Es gab keine Leiche. Vielleicht würde es nie eine geben. Alles, was er bis jetzt von Caleb wußte, ließ ihn als einen Mann von absolutem und grausamem Egoismus erscheinen, zeugte aber von beträchtlicher Schläue; außerdem hatte er viele Freunde im Hafenviertel, die ihn verstecken würden, die ihn tatsächlich versteckten, wann immer er in Gefahr war.
Aber Monk hatte doch gewiß genug Verstand und Phantasie, um ihn zu überlisten? Er ging langsam weiter, ertastete sich seinen Weg durch Nebel und Dunkelheit mehr, als daß er ihn sah.
Er konnte die gedämpften Schritte anderer Menschen, die jetzt
Weitere Kostenlose Bücher