Sein letzter Fall - Fallet G
angefordert hatte, zu warten. Es war zu hoffen, dass sie heute oder am folgenden Tag eintreffen würde. Abhängig von ihrem Inhalt musste man dann entscheiden, ob es einen Grund gab, diese Spur weiter zu verfolgen oder nicht.
Zum Vierten musste Jaan G. Hennans Bekanntenkreis unter die Lupe genommen werden. Womit hatte er sich seit seiner Rückkehr aus den Staaten beschäftigt? Welche Kontakte hatte er geknüpft? Gab es noch Freunde oder Bekannte aus den Siebzigern… und hatte das Paar Hennan tatsächlich keine anderen Kontakte als die Nachbarn Trotta gehabt, mit denen sie ganz offensichtlich nicht besonders viel gemeinsam hatten?
Zum Fünften – und hier war es Münster, der darauf insistierte – wäre es nützlich, den Kontakt zum Privatdetektiv Verlangen weiter aufrecht zu erhalten. Vielleicht hatte er bei seinem Gespräch mit dem Kommissar irgendwelche Details vergessen? Vielleicht konnte er auch in anderer Hinsicht nützlich sein? Genau wie er unterstrichen hatte, standen sie in dieser Geschichte ja in höchstem Grad auf der gleichen Seite; Verlangen hatte ein rein persönliches Interesse daran, Hennan festzunageln, und es wäre doch eine verschenkte Gelegenheit, diese Tatsache nicht auszunutzen. In irgendeiner Form. Auch wenn man es mit einem noch so heruntergekommenen Privatdetektiv zu tun hatte.
Der Kommissar dachte über Münsters Argumentation in diesem Punkt einige Sekunden lang nach. Dann brummte er zustimmend. Es konnte, wie gesagt, ja nicht schaden.
Zum Sechsten – und zum Allerletzten – war es natürlich äußerst wichtig, den entscheidenden Stoß selbst zu versetzen. Mit größtmöglicher Präzision.
Das Verhör des Jaan G. Hennan. Hier ging es darum, keinen Fehler zu machen. Bereits beim letzten Gespräch hatte Van Veeteren die bevorstehende Kraftprobe erahnt, und G. war natürlich nicht so blauäugig, dass er nicht wusste, was ihn erwartete. Musste eigentlich genauso gut darüber Bescheid wissen wie über seinen Mundgeruch am Montagmorgen, dachte der Kommissar.
Keine Seidenhandschuhe. Keine alberne Rücksichtnahme. Van Veeteren wusste, dass Jaan G. Hennan schuldig war, und Hennan wusste, dass er es wusste.
Klarer konnte es kaum sein.
Oder schwerer.
Da es keinen Zeitdruck gab, wurden Münster und Van Veeteren sich darüber einig, die erste wichtige Konfrontation noch ein paar Tage aufzuschieben. Besser, wenn die Spurensicherung ihn erst einmal heimsuchte. Besser, ihn warten und grübeln zu lassen. Vorläufig entschied der Kommissar sich für den Freitagabend, bis dahin waren es noch zwei Tage, und wenn man schon die Wahl hatte, dann war es immer ein Vorteil, während einer ungewöhnlichen Tageszeit zuzuschlagen.
Am liebsten hätte er G. in einem schwarzen Lieferwagen mitten in der Nacht abholen lassen – manchmal überkam es ihn einfach, da spielte er mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, ein Kommissar in der Sowjetunion der Dreißiger Jahre gewesen zu sein –, aber er brachte diese Variante nie zur Sprache, schon mit Rücksicht auf Inspektor Münsters reines Herz.
»Das war’s«, stellte er stattdessen fest und nahm die Notizen an sich. »Ich nehme an, dass es jetzt Zeit für einen kleinen Vorstoß bei unserem Blumenkönig ist. Willst du mitkommen?«
Münster lachte kurz auf und lehnte das Angebot dankend ab.
»Es wird doch sicher keine Probleme geben, Verstärkung zu bekommen, oder?«, fragte er.
»Kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete der Kommissar. »Das hier ist eine üble Geschichte… ich spendiere ein Bier, wenn wir ihn eingebuchtet haben.«
Jetzt wird es ernst, dachte Münster. Todernst.
13
Nachdem er dem Polizeipräsidenten die Sache in groben Zügen vorgetragen hatte – und die Zusicherung bekommen hatte, alle Kräfte nutzen zu können, die zugänglich waren –, zog Van Veeteren sich mit einer Tasse Kaffee und einem Päckchen Zigaretten in sein Büro zurück.
Nachdem er die Schuhe ausgezogen und die Füße auf den Schreibtisch gelegt hatte, kam ihm als Erstes in den Sinn, dass sie vergessen hatten, die Versicherungsgesellschaft Trustor auf Münsters Maßnahmenliste zu setzen. Um das Versäumnis wieder gutzumachen, griff er zum Telefonhörer und bat darum, direkt mit Direktor Kooperdijk verbunden zu werden.
Dieser saß in einer Besprechung, wie ihm mitgeteilt wurde, aber er würde so schnell wie möglich zurückrufen. In zehn Minuten ungefähr.
Van Veeteren rauchte zwei Zigaretten und trank seinen Kaffee aus, während er wartete, und nach zwanzig Minuten
Weitere Kostenlose Bücher