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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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sowie eine große, schmale, blasse Nase. Er trug das absolute Minimum an Bart: eine schmale bernsteingelbe Linie von den Ohren zum Kinn und keinen Schnurrbart. In der linken Hand hielt er eine knorrige alte Pfeife aus dunklem Holz.
    Cahill machte die Honneurs: »Kapitän Lief Andersen, ich darf Sie mit dem Abgeordneten Morton Kotkind vom Parlament des Staates New York bekannt machen.«
    Die beiden Männer begrüßten sich und schüttelten sich die Hand, Sternberg mit barscher Förmlichkeit, Andersen auf eine leicht unnahbare Art. »Sie haben ein schönes Schiff, Kapitän«, sagte Sternberg, als gäbe er es nur ungern zu.
    »Und Sie haben ein schönes Parlamentsgebäude«, erwiderte der Kapitän und zeigte mit seinem schmalen Zinken darauf.
    Alle drehten sich um, sogar Wycza, der solchen höflichen Mist normalerweise ignorierte, und tatsächlich, das Gebäude war noch zu sehen und wurde ganz langsam kleiner. Es war jetzt Viertel nach acht, und die Sonne war zwar noch nicht untergegangen, stand aber hinter den Hügeln von Albany, sodass die östlichen Hänge der Stadt im Schatten lagen und das Kapitol mehr denn je wie ein riesiger Steinhaufen wirkte.
    »Ja, es hat was«, sagte Sternberg. »Aber mir ist es ein bisschen zu schlossähnlich. Dafür bin ich im Innersten zu demokratisch.«
    »Ja, ja, ein Schloss«, stimmte der Kapitän zu. »Ich verstehe Sie durchaus. Aber vielleicht gefällt es mir gerade deswegen. In Biloxi gibt es nichts dergleichen.«
    »Nein, wohl nicht.«
    »Man hat mir gesagt«, sagte der Kapitän, »dass Ihre Assistenten hier Waffen tragen. Wie Sie wissen, herrscht auf dem Schiff –«
    »Das ist alles besprochen«, unterbrach ihn Sternberg, und Wycza fragte sich, was das werden sollte.
    »Tut mir leid, Herr Abgeordneter«, sagte der Kapitän mit dem dünnen Lächeln eines Mannes, dessen Entscheidungen nie in Frage gestellt werden, »aber die Firma hat strikte –«
    »Das wurde alles besprochen«, beharrte Sternberg, nun schon etwas ungeduldiger, fast ärgerlich, »als der Termin festgemacht wurde.«
    »Wenn man Ihnen gesagt hat –« begann der Kapitän, doch da unterbrach ihn Parker, der im Hintergrund neben Wycza stand: »Kapitän, Trooper Helsing und ich bitten um Entschuldigung, aber wir haben keine Wahl. Es ist uns nicht gestattet, uns entwaffnen zu lassen, wenn wir im Dienst sind. Das ist Vorschrift. Sie können gern in unserer Kaserne in Albany anrufen und nach Major –«
    Ach du Scheiße, Parker, dachte Wycza, und was, wenn er’s macht? Mannomann, ich dachte, das war geklärt, die Scheißwaffen sind doch der Grund, warum wir dieses blöde Spiel spielen. Was sollen wir denn jetzt machen, uns den Weg vom Schiff freischießen? Oder die Scheißdinger abliefern,den ganzen Abend Theater spielen und das Geld in den Wind schreiben? In den Tresorraum und wieder raus spazieren, vielen Dank sagen, irgendwohin abhauen und uns in den Kopf schießen?
    Doch bevor Parker zu Ende sprechen konnte und bevor man wissen konnte, ob der Kapitän ihn beim Wort genommen hätte, ging Sternberg hoch wie eine Rakete und brüllte Parker an: »Renfield, was ist denn mit Ihnen los? Ein einziger Anruf in der Kaserne mit der Mitteilung, dass ich hier auf diesem Schiff bin, und unsere sämtlichen Sicherheitsvorkehrungen sind für die Katz. Die Presse ist dort, Renfield! In den Büros sind ständig Presseleute.«
    »Oh.« Wycza hatte Parker noch nie betreten dreinschauen sehen und hätte nicht gedacht, dass er das überhaupt konnte, aber er konnte es. »Entschuldigung, Mr. Kotkind«, sagte er verlegen. »Daran habe ich nicht gedacht.«
    Sternberg fixierte Susan Cahill mit finsterem Blick: »Ms. Cahill, mein Büro hat diese Absprachen mit –«
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte sie, und Wycza tat sie fast leid. Sie hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera, und sie hatte nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren würde. »Entschuldigen Sie mich einen Moment, Herr Abgeordneter«, sagte sie, wandte sich ab und sagte leise, aber dringlich: »Kapitän Andersen, könnte ich Sie kurz sprechen?«
    »Susan«, sagte der Kapitän, »Sie wissen doch –«
    »Ja doch, ja, aber vielleicht könnten wir –«
    »Da in der Ecke haben wir einen bestens geeigneten Safe, es gibt kein Risiko, das –«
    »Kapitän.«
    Und schließlich hielt sie seinen Arm nicht nur, sondern streichelte seinen Oberarm vom Ellbogen zur Schulter, auf und ab, auf und ab, und es gelang ihr, den Kapitän so zu drehen,als sei er das Schiff selbst und sie der kleine,

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