Seine einzige Versuchung
Ruf der Frau sozusagen als Vergeltungsmaßnahme zu schädigen“, wandte Elli zu Recht ein. Er nickte anerkennend angesichts ihrer offensichtlichen Fähigkeit, sich so genau in die Empfindungen der Beteiligten hineindenken zu können:
„Das ist in der Tat richtig. Rachsüchtiges Verhalten liegt allerdings nicht in der Natur dieser Mandanten. Außerdem habe ich ihnen nicht die vollständigen Zusammenhänge genannt und ein wenig Druck durch die Mitteilung ausgeübt, dass der Ehemann nur bei absolutem Stillschweigen bereit sei, auf die Anzeige zu verzichten.“
„Aber das ist doch ungerecht ! Der Junge hat wirklich nichts Unrechtes getan, und die wahre Täterin soll ungeschoren davon kommen, nur weil sie besser gestellt ist und einen Ruf zu verlieren hat!“, brauste Elli auf. Benthin war einmal mehr hingerissen von ihrem unbefangenen Temperamentsausbruch:
„Dein… Ihr Gerechtigkeitssinn in allen Ehren, Elli, aber der Junge hätte allein aufgrund seines gesellschaftlichen Ranges trotz meiner Verteidigung nicht allzu gute Karten gehabt. Ich hätte es riskiert, aber wem wäre damit gedient gewesen? Der Junge wäre im schlimmsten Fall hart bestraft worden für etwas, was er nicht getan hat, und der Ruf der Dame zugleich ruiniert, ebenso der ihres Mannes.“
„Ungerecht ist es trotzdem!“, gab ihm Elli eigensinnig zu verstehen. Benthin fühlte sich an sich selbst als junger Student der Rechtswissenschaften erinnert. Die Vorstellung von Gerechtigkeit, die man sich mit gesundem Menschenverstand machte, deckte sich nicht unbedingt mit der trockenen Realität der Paragraphen. Er lächelte.
„Ich mag Ihre unbeugsame Art, Elli, aber manchmal ist es besser, einen für alle tragbaren Kompromiss zu finden, als auf Biegen und Brechen Gerechtigkeit bis zuletzt zu fordern.“ Elli ging nicht auf das Kompliment ein, das er ihr soeben beiläufig gemacht hatte. Sie war voller Eifer, wenn es darum ging, Ungerechtigkeit zu entlarven.
„Vielleicht. Aber finden Sie nicht auch, dass es ein Unding ist, jemanden grundsätzlich vorzuverurteilen, nur weil er gesellschaftlich nicht gut gestellt ist?“
„Durchaus.“ Er nickte nachdenklich. „Und ich würde mich gerne dafür einsetzen, dass sich diese Zustände ändern.“
„ Aber ?“ fragte sie mit einem gewissen Nachdruck. Benthin zögerte. Elli kam mit ihrer Frage seinen ursprünglichen Absichten gefährlich nahe, eine Heirat in Erwägung zu ziehen, um ein einflussreiches politisches Amt bekleiden zu können. Dies wollte er ihr gegenüber jedoch nicht preisgeben. Sie hätte bestimmt sofort den Verdacht gehegt, er könne sie ausgerechnet deshalb umwerben - ihre wachsame Art legte eine gesunde Skepsis nahe. Er wollte es lieber nicht riskieren, einen Zusammenhang herzustellen zwischen seinen politischen Ambitionen und seinen unerwarteten Gefühlen für Elli.
„Es gibt kein Aber. Ich beabsichtige in der Tat, etwas an diesen ungerechten Zuständen zu ändern.“
„Gut. Nur wie? Ich wünschte, ich könnte etwas dazu beitragen.“ Du musst einfach nur meine Frau werden. Das wäre die größte Unterstützung für mich… Die Worte blieben unausgesprochen. Es erschien Benthin nicht der passende Moment dafür zu sein, auch wenn er sich nichts sehnlicher wünschte. Er war aufgewühlt, versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Sie schwiegen eine Weile. Ellis Gedanken schweiften nochmals zu dem Diebstahl ab: „Warum tut eine gut situierte Frau so etwas? Sie hat doch weiß Gott keine materiellen Sorgen!“
„Ich kann mir das Verhalten auch nicht erklären. Wie gesagt, es schien eine Art Zwang zu sein, sich illegal in den Besitz irgendwelcher belangloser Dinge zu bringen, die sie sich jederzeit problemlos hätte kaufen können.“
„Vielleicht musste sie sich beweisen, dass sie es schafft, ohne dabei erwischt zu werden.“ Benthin schüttelte geistesabwesend den Kopf:
„Das erscheint mir aber ziemlich abwegig. Du… Sie meinen, Diebstahl als eine Art reizvolles Wagnis?“
„Ja, vielleicht.“
„Möglich ist es. Vielleicht ist ihr Leben so langweilig, dass sie darin Abwechslung sucht.“
„Ich habe den Eindruck, dass das Leben für viele Frauen der Gesellschaft in der Tat recht inhaltsleer ist. Mir würde das auch nicht gefallen“, grübelte Elli leise vor sich hin.
„Und? Was gedenken Sie, dagegen zu tun?“ Benthin wartete äußerst gespannt auf ihre Antwort, ganz besonders im Hinblick auf seine Absicht, sie zur Frau zu nehmen.
„Ich suche mir eine
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