Seine einzige Versuchung
alleine haben. Bitte nimm meine Einladung an. Ich freue mich auf Dich. Julius
Gegen ihren Willen musste Elli lächeln. Das war Benthin: er schuf Tatsachen und ließ einen zugleich glauben, man habe die Wahl - ohne sie jemals gehabt zu haben. Vielleicht war doch noch eine Klärung möglich, auch wenn sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr wirklich daran glaubte. Ihre Zuneigung zu ihm hatte klammheimlich immer wieder Funken der Hoffnung geschürt, die augenblicklich aufstoben, als sie seine Zeilen las. Sie versuchte, eine nicht allzu große Erwartung an diesen Abend zu knüpfen, um nicht erneut enttäuscht zu werden, und doch erschienen ihr seine Worte vielversprechend. Das Gefühl der Erschöpfung war wie weggeblasen. Beschwingt eilte sie zur Tür, als Jakob klingelte. Als er nach getaner Arbeit wieder nach Hause ging, war ihre Mattigkeit zurückgekehrt. Sie legte sich ohne zu Abend zu essen ins Bett, um für den folgenden Abend mit ihrem Mann frisch und ausgeruht zu sein. Obwohl Elli sich auf ihre Verabredung freute, tat sie sich am nächsten Morgen ungewöhnlich schwer mit dem Aufstehen. Sie fühlte sich immer noch kraftlos und müde und wäre am liebsten den ganzen Tag liegen geblieben. Es kam ihr ganz gelegen, dass sie heute keinen Dienst in der Suppenküche hatte, sondern erst wieder am darauffolgenden Tag - der Tag, an dem auch Kabus sie wieder erwartete. Elli war noch immer unschlüssig, ob sie hingehen sollte, doch wichtiger war, dass sie zunächst einmal wieder zu ihrer alten Form zurückfand und sich auf den bevorstehenden Abend mit Benthin vorbereitete. Sie war nervöser als sie vermutet hätte und ärgerte sich über sich selbst, wie sehr sie die Aussicht auf den gemeinsamen Abend und die lange ersehnte Aussprache aufwühlte. Ein wenig Ablenkung verschafften ihr die nachmittäglichen Unterrichtsstunden mit Jakob, wenn nur nicht diese unendliche Erschöpfung gewesen wäre, die ihr immer mehr zu schaffen machte. Als Jakob am späten Nachmittag ging, befürchtete Elli fast, kaum noch die Kraft zu haben, sich für den ersehnten gemeinsamen Abend zurechtzumachen. Unter großer Mühe und in quälend langsamer Geschwindigkeit, gelang es ihr schließlich doch noch, sich so präsentabel wie möglich angesichts ihres Zustandes zu zeigen. Nun stand sie am Fenster des Speisezimmers und wartet auf seine Rückkehr. Wie fast jeden Tag hatte er auch heute Termine auswärts zu erledigen. Da bog schon seine Kutsche um die Ecke und hielt vor dem Haus an. Benthin stieg beschwingt mit einem Lächeln aus und schien noch ein paar Worte an Paulsen zu richten, der sichtlich amüsiert reagierte und dann losfuhr. Plötzlich glaubte Elli, ihren Augen nicht zu trauen. Wie aus dem Nichts war die elegante Frau aus dem Park aufgetaucht, die Elli seit ihrem ersten Tag als Benthins Ehefrau Kopfzerbrechen bereitete. Die Frau schien mit ihm sprechen zu wollen, er wirkte überrumpelt, beinahe verstört. Wie in flagranti erwischt sah er sich um, als ob er keinesfalls mit ihr gesehen werden wollte und fasste sie rasch am Arm, um sie in eine nicht einsehbare Nische zwischen zwei Häusern zu ziehen. Elli konnte die beiden nicht mehr sehen und fühlte, wie sie von der Schwäche, die sie schon den ganzen Tag über gequält hatte, vollständig übermannt wurde. Sie verlor die Kontrolle und schaffte es nicht mehr, sich auf den Sessel fallen zu lassen, den sie noch versucht hatte, anzusteuern. Sie hörte auch nicht mehr die eilig die Treppe hinaufpolternden Schritte ihres Ehemannes, der wutentbrannt in das Zimmer stürmte und sie zusammengebrochen auf dem Boden vorfand.
Kapitel 19
„Elli!“ Seine Stimme klang aufgebracht. Er war zu verärgert, um sofort zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Doch dann begann er zu begreifen und stürzte zu ihr hin: „Elli? Was machst Du da am Boden? Hörst Du mich?!“ Eine Welle der Angst erfasste ihn. Er zog ihren Oberkörper hoch, der völlig leblos wirkte und versuchte hektisch, ihren Puls oder Atembewegungen zu spüren. Ihr Gesicht war erhitzt und gerötet, als ob sie Fieber hätte. Immer noch erkannte er keine Lebenszeichen an ihr und wurde panisch. Er schlug ihr leicht auf die Wangen wie man es bei Ohnmächtigen tut und redete beschwörend auf sie ein:
„Bitte komm wieder zu Dir, bitte!“ Kurz flatterten ihre Augenlider auf, um sogleich wieder zuzufallen. Nun spürte er auch das winzige Zucken ihres Pulses in ihrer Halsbeuge, das ihm zuvor in seiner Angst entgangen war. Er nahm sie hoch und trug
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