Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Terrorkampfes
begangen hat. Bertone.
Der Kardinal empfiehlt, sich an den früheren
Vizegeneralsekretär der baskischen Volkspartei Mayor Oreja, einen
kompromisslosen Katholiken, zu wenden. Dieser war schon in den 80er-Jahren
Innenminister und hat die dramatischen Höhepunkte der Auseinandersetzung mit
der Terrororganisation erlebt. Bertone ermahnt seinen Botschafter, sich stets
mit den spanischen Parteien auszutauschen. Eine diplomatische Beziehung zu
knüpfen scheint recht schwierig zu sein, doch Bertone gibt nicht auf, denn er
weiß wohl, dass es sich um eine komplexe Angelegenheit handelt: Einerseits sind
da die Angehörigen der Opfer, andererseits die 700 inhaftierten
Aktivisten. Es wird also ein langer Prozess werden, der sich über die nächsten
Jahre hinziehen wird, notwendigerweise in vielen Etappen, die auf den ersten
Schritt folgen, auf die erwartete und angekündigte Wende vom Oktober 2011.
Der neuralgische Punkt zwischen Heiligem Stuhl und Weltkirche
befindet sich in der Terza Loggia, in der Sektion für die allgemeinen
Angelegenheiten. Es ist ein eher bescheidenes Büro, der Öffentlichkeit
unbekannt, aber von zentraler Bedeutung. Es geht um das »Ufficio cifra«, die
Chiffrierstelle, welche die Nachrichten zwischen dem Papst, Staatssekretär
Bertone, den anderen Kardinälen und den Apostolischen Nuntien codiert und
decodiert. Hier wird der Vatikan ständig auf den neuesten Stand der
Informationen gebracht, es werden geheime Botschaften ausgetauscht, die sich
auf die heikelsten Probleme der Nuntiaturen beziehen. In der Chiffrierstelle
decodieren die Fachleute die Nachrichten und leiten sie an die Führungsspitze
der Kirche weiter. Von hier aus gibt Bertone oder auch der Papst selbst den
Nuntien in aller Welt Anweisungen zu pastoralen, politischen und
wirtschaftlichen Belangen. Es gibt insgesamt 179 päpstliche Vertretungen
in jedem Winkel der Erde. Eine sehr hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass das
diplomatische Netz des Papstes damit das zweitgrößte gleich nach dem der USA ist. [2] Diese Zahl bringt auch zum Ausdruck,
wie wichtig dem Vatikan sein Einfluss auf der geopolitischen Weltbühne ist.
Seit Ende der 70er-Jahre
wurde diese Linie energisch verfolgt. »1900 gab es knapp zwanzig
solcher Länder«, schreibt Gianni Cardinale in L’Avvenire ,
»aber 1978
waren es bereits 84.
Und 2005
waren es 174
[also mehr als doppelt so viele], und unter Benedikt XVI.
wurden es 179.
2006
wurden Beziehungen zu dem neu entstandenen Montenegro geknüpft, 2007 zu
den Vereinigten Arabischen Emiraten, 2008 zu Botswana, am 9. Dezember
2009
fand die Kehrtwende der Russischen Föderation statt, mit der es bereits
besondere Beziehungen gegeben hatte, ähnlich denen, wie sie gegenwärtig mit der
PLO bestehen.« [3]
Neben der Kommandozentrale der Gendarmerie, den Tresorräumen der
Vatikanbank, einigen Abteilungen des Geheimarchivs und den Privatgemächern
Benedikts XVI. gehört die Chiffrierstelle zu den
am wenigsten zugänglichen Räumen des Heiligen Stuhls. Man darf sie nur
betreten, wenn man dort arbeitet und einen besonderen Zugangscode besitzt. Die
Angestellten verpflichten sich zu strengster Geheimhaltung. Viele Jahre war
Prälat Pietro Principe hier wichtigster Ansprechpartner, bis er 2010
verstarb. Um seine Bedeutung einzuschätzen, braucht man sich nur daran zu
erinnern, dass seine sterblichen Überreste, die in der Kirche des Governatorats
aufgebahrt waren, von den wichtigsten Kardinälen geehrt und schließlich von
Bertone und Bagnasco gesegnet wurden. Principe war der Hüter der stets
diskreten Aktivitäten dieses Büros und hat alle denkwürdigen, unvorhersehbaren
und dramatischen Nachrichten mit eigenen Augen gelesen. Hinter jedem Telegramm verbirgt
sich eine Geschichte, ein Geheimnis. Wir haben einige von ihnen zu Gesicht
bekommen, die nun zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche die Leoninische
Mauer überwunden haben und uns allen zugänglich sind.
Ecuador: Mord im Kloster
Die Gläubigen erwarten ihn zur Abendmesse, doch Mirosław
Karczewski, ein 45 Jahre alter polnischer Minoritenpater, erscheint nicht. Nach vergeblichem
Warten beginnt die Suche. Sie dauert kaum eine halbe Stunde: Karczewski wird
bald im Pfarrhaus von St. Antonius von Padua in einer Blutlache tot
aufgefunden, mit Verletzungen unter anderem am Hals. Wir befinden uns in Santo
Domingo de los Colorados im Norden Ecuadors, etwa 300 Kilometer von der
Hauptstadt Quito entfernt. Als Motiv für den Mord wird folgende
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