Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
halbamtliche
Version angenommen: Die Mörder haben den sanftmütigen, freundlichen und immer
hilfsbereiten Priester getötet, nachdem sie sich sein Mobiltelefon, den
Computer und das Kollektengeld des Klosters angeeignet hatten. Diese Vermutung,
schlimm genug, wird von niemandem angezweifelt.
Manche katholische Websites geben die Nachricht so weiter. [4] Die Minoriten trauern weltweit um ihren Bruder, der als ein Beispiel
christlichen Märtyrertums und als Opfer eines Raubmords hingestellt wird. Aus
den ersten verschlüsselten Nachrichten, welche die Nuntiatur in Quito mit dem
Heiligen Stuhl austauscht, ergibt sich allerdings eine andere Wahrheit. Sie
steht in diametralem Gegensatz zur Version, die in Umlauf gebracht wurde, damit
der Fall kein allzu großes Aufsehen erregt. Die offizielle, allerdings streng
vertraulich behandelte Wahrheit kommt durch diskret von der Polizei geführte
Ermittlungen ans Licht. Es ist eine Wahrheit, die einen Skandal auslösen und
Verwirrung stiften könnte.
Der damalige Bischof der Region Wilson Moncayo schlägt Alarm, der
schnell Tausende Kilometer weiter bis in die geheimen Räume des Vatikans
dringt, nachdem die örtliche Kriminalpolizei des Ortes beim Bischof an die Tür
geklopft hat und die Polizisten ihm bestürzende Fotos gezeigt haben.
Von: Quito
An:
Chiffrierstelle
Cifr. Nr. 81
Chiffrierung
am 17.12. 2010, Dechiffrierung am 17.12.2010
Mit Bezug auf
Cifr. Nr. 79 vom 6. Dezember komme ich meiner
Verpflichtung nach, E. Em., hochwürdigster Herr Kardinal, Mitteilung zu machen
über die letzten Hinweise zum Mord am hochw. P. Mirosław Karczewski, OFM,
einem polnischen Pater, der am 6. dieses Monats im Pfarrhaus der Gemeinde des
heiligen Antonius von Padua in Santo Domingo de los Tsachilas tot aufgefunden
wurde (mit durchgeschnittener Kehle).
S. Exz. Mons.
Wilson Abraham Moncayo Jalil, Bischof der Diözese Santo Domingo in Ecuador, hat
am Abend des 15. Dezember gegen 21.00 Uhr um Hilfe ersucht und mir
mitgeteilt, dass er von einigen Polizisten Besuch erhalten habe – sie sind mit
der Aufklärung des Mordes an dem Pater beauftragt –, die ihn über die ersten
Ergebnisse der laufenden Ermittlungen informiert hätten. Gleich nach dem Besuch
habe der Bischof die Nuntiatur angerufen.
Nach den Worten
Moncayos, der berichtet, was ihm die Polizei auf der Grundlage von am Ort des
Verbrechens gefundenen Beweisen erklärt hat, weisen die ersten Erkenntnisse
»mit großer Sicherheit« darauf hin, dass es sich bei dem Mord um »ein
Verbrechen aus Leidenschaft« handelt, was die Hypothese vom Raubüberfall
ausschließt.
Die Polizei ist sich ihrer Sache sicher. Es handelt sich
um einen Mord mit sexuellem Hintergrund.
In seinem
Telefongespräch hat der Bischof folgende Tatsachen festgehalten:
– Das Opfer kannte seine Mörder; vermutlich waren es drei,
denn vor dem Ereignis hat der Pater die Haushälterin des Pfarrhauses gebeten, drei
Gästezimmer vorzubereiten.
– Am
Ort des Verbrechens wurden vier Gläser und eine Flasche einer nicht genauer
bezeichneten Spirituose gefunden.
– Laut
Angaben der Polizei gibt es Beweise, dass die Beteiligten am Tag des
Verbrechens gegen 14.00 Uhr begonnen hatten, Alkohol
zu trinken.
– Aus
dem Tatort geht hervor, dass der Pater und seine »Gäste« sexuelle Beziehungen
gehabt haben müssen, denn am Ort des Verbrechens fanden sich Flecken von Sperma
(Mons. Moncayo hat mir mitgeteilt, dass die Polizei ihm entsprechende Fotos
gezeigt hat).
– Das
Mobiltelefon des Mönchs wurde von der Polizei beschlagnahmt, die die Anrufe
überprüft hat und versucht, die mutmaßlichen Mörder aufzuspüren. Nach den
Worten des Bischofs ist auch der Laptop [des Opfers] verschwunden. Soweit mir
Mons. Moncayo berichtet hat, scheint die Polizei die richtige Spur gefunden zu
haben, um die Schuldigen zu fassen.
– Der
Bischof hat mir gesagt, die Polizei habe den Befehl »von oben« erhalten, diesen
Kriminalfall vollständig aufzuklären. In unserem Gespräch verbarg der Bischof
vor mir nicht seine Furcht vor einem Skandal, den es geben könnte, wenn die
Informationen in die Medien gelangen, vor allem in die Sensationspresse.
Außerdem sagte er mir, dass er auf der Beerdigung des Paters in der Predigt von
dem guten Ruf sprechen müsse, den der Priester allgemein genieße. Das Opfer sei
als guter Priester bekannt, der den Jugendlichen, den Familien und den Armen
besonders nahestand. Er habe in der Gemeinde zahllose
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