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Seine Zeit zu sterben (German Edition)

Seine Zeit zu sterben (German Edition)

Titel: Seine Zeit zu sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Ostermaier
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er, die Sau, der Pädophile, wo hast du den Jungen, wo ist der Junge, wo hast du ihn versteckt, wir werden es aus dir herausprügeln, sag schon, lebt er noch, lebt er noch der Junge, lebt er, mach das Maul auf, du schwule Drecksau, wo ist er jetzt, ich brech dir das Genick, wenn du es nicht sagst, wir müssen die Polizei holen, nein, das machen wir selbst, spinnst du, die Polizei, bis die da ist, ist der Junge erfroren, einfach erfroren, ich habe auch einen Jungen, einen Enkel, so alt wie er, sag schon, wir schlagen dir die Wahrheit raus, gebt den Skistecken, da siehst du die Spitze, damit spieß ich dir die Eier auf, wenn du nicht sofort sagst, wo du ihn versteckt hast, lebt er noch, wo hast du ihn, ist er draußen, in einer Hütte, hast du ihn umgebracht, du Sau, vergewaltigt, was hast du dem Jungen angetan, wo ist er, jetzt sprich schon, er sagt nichts, was sollen wir machen, er tut den Mund nicht auf, er schreit nicht mal, der spürt die Schläge nicht, der spürt gar nichts, dem gefällt das, der Sau, der macht das Spaß, du Perversling, du Sau, los, zieht ihn aus, zieht ihn aus, wir legen ihn in den Schnee, die Kälte wird ihm schon die Worte rausziehen, wir treiben ihn durch den Schnee, los, haltet ihn fest, ich zieh ihn aus, lass ihn, das ist Selbstjustiz, scheiß auf deine Selbstjustiz, denk an den Jungen, woher willst du wissen, dass er es war, er hat doch gar nichts gesagt, schau ihn dir doch an, warum sitzt er sonst hier im Beichtstuhl und versteckt sich?
    Ödöns Muskeln spannten sich, gleich würde er die Worte und Wortfetzen wieder hören, wenn der Vorhang ihn bloßstellen würde, gleich würden sie ihn herauszerren, und alles würde Wirklichkeit werden, wie früher seine Wunschträume Wirklichkeit geworden waren, alle deine Ängste werden wahr, die schlimmsten, die verborgensten, Gott spielte seine stärkste Karte aus. Er hatte ihm ein fast angstfreies Leben geschenkt, ihn in allen Sicherheiten gewiegt, ihn wie ein Baby gefüttert und fett gemacht, mit einem fetten Babyglücksspeck, der nun schlagartig von den Hüften, den Wangen fiel, diese Schichten gegen das Schlechte der Welt. Jetzt prallte nichts mehr an ihm ab, jetzt drang es durch ihn wie ein Messer durch die Butter, die du am Abend vergessen hast, in den Kühlschrank zu stellen, und draußen ist Sommer, und die Sonne begrüßt dich mit ihren Strahlen, schleckt dir die Butter vom Brot, und das Messer schneidet deinen Speck von den Rippen.
    Ödön war klar, hier gab es kein Entrinnen, es war unmöglich den Alten, wenn er vor ihm stand, umzurennen, an den anderen vorbeizuschlittern, hinaus in den Schnee zu jagen. Wo waren seine Ski? Er müsste sie suchen, wo waren sie, sie waren sicher unter dem Schnee, er hatte sie versteckt, wo hatte er sie versteckt, wie könnte er sie jetzt finden? Aber er konnte auch nicht einfach durch den Schneesturm irren, ohne Ski, mit jedem Schritt tiefer versinken, in den Schnee wie ins Wasser. Der Lift wäre nah, die Gondel, die Ehrenbachhöhe, aber dort würden sie ihn sofort suchen, nein, ohne seine Ski wäre er verloren, es gäbe keinen anderen Ausweg als den Tod. Warum nicht der Tod, fragte er sich? Er sah sein Blut im Schnee. Er müsste schneller sein. Jetzt breche ich aus, genau jetzt, ich versuche es, ich habe den Überraschungsmoment für mich, sie werden wie erstarrt stehen, wie ein Gespenst werden sie mich ansehen, es war ja still in der Kirche bislang, mucksmäuschenstill, totenstill, und dann lüftet sich der Vorhang, und ich stürze mit meinem schwarzen Helm aus dem Beichtstuhl auf sie zu, der Rächer, jetzt, Ödön, zögere nicht, Ödön, jetzt, komm, Ödön, fass deinen Mut zusammen, Ödön, fass, fass, jetzt, Ödön, jetzt, raus, raus hier, schnell.
    »Was suchen Sie hier?« Der Pater war aus dem Beichtstuhl gestiegen und baute sich vor dem Alten auf, der unmittelbar davor war, den Vorhang aufzuziehen. »Sie stören die heilige Beichte. Was ist das für unziemliches Verhalten? Bitte respektieren Sie die Würde des Ortes!«
    Der Alte war wie vom Schlag getroffen, eingefroren in seiner Bewegung. Fassungslos starrten die drei den Pater an, als wäre ihnen der Teufel erschienen. Als wären sie mit all ihrer Anspannung, ihrer aufgestauten Wut, ihrer Verzweiflung und ihrem so unbedingten Findenwollen gegen eine Wand geknallt, gerade dort, wo sie die rettende Öffnung vermuteten, das Tor, das die Hoffnung aufschließt, statt ihre Nasen blutig zu schlagen. Der Alte war außer sich, sein Blut pumpte durch den

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