Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Glamouröseres sein dürfen als ein Paar GAP -Jeans.
Ich drehe mich zur Seite und sehe meinen leicht gewölbten Bauch. Vor der Schwangerschaft war ich dort flach. Jetzt bin ich wie alle anderen Mamis auch, mit Wülsten und Schwangerschaftsstreifen. Nur ohne Baby natürlich. Bald werden sie hier sein, die Mütter, und werden über nichts anderes als ihre Kinder reden. Ich werde mich wahrscheinlich wieder mit den Männern über ihre Arbeit unterhalten; da bleibt mir wenigstens das Mitleid erspart. Ich sehe auf die Uhr. Das ist immer die schlimmste Zeit vor einer Party, wenn es nichts mehr zu tun gibt, aber noch niemand da ist.
Werden genügend Leute kommen? Da stehe ich, warte darauf, dass unsere Freunde eintreffen, und bin ziemlich angespannt. Ich schneide vor dem Spiegel eine Grimasse. Eigentlich keine große Sache. Dreißig Leute vielleicht, die auf Snacks und ein paar Bierchen vorbeischauen. Wie bei der Arbeit hält Art es auch zu Hause: Er hasst alles, was auch nur entfernt elitär riecht.
Ich höre, wie Art den zweiten von Morgans Koffern die Treppe hinaufwuchtet. Bei einem weiteren Blick in den Spiegel frage ich mich, was Morgan wirklich von mir hält. Im Umgang ist sie immer die Freundlichkeit selbst, aber insgeheim vermute ich, dass sie glaubt, Art hätte es besser treffen können. Und wenn sich bei ihm die Karriere des Vaters in vielfältiger Weise wiederholt – was Frauen betrifft, hat er völlig anders entschieden.
Brandon Ryan wurde in Glasgow geboren, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Über seine Kindheit verlor er nie viele Worte, zumindest nicht in der Öffentlichkeit, aber nach allem, was ich aus Zeitungsartikeln und Bemerkungen von Morgan weiß, hatte er eine raue Jugend. Sein Vater schlug ihn, und genug zu essen gab es selten. Mit achtzehn Jahren, Anfang der Sechzigerjahre, kappte er alle Verbindungen zu seiner Familie und ging nach London, um dort sein Glück zu machen. Er war der geborene Unternehmer, schon nach fünf Jahren Millionär. Er starb schließlich als Milliardär. Mit seiner Frau, einer hübschen Dame der Gesellschaft namens Fay Langham, bekam er drei Kinder: Morgan und ihre beiden jüngeren Brüder. Fay habe ich nie kennengelernt. Sie und Art können sich nicht riechen.
Die Kinder waren noch klein, als Brandon und Fay nach Edinburgh zogen, aber Brandon arbeitete die Woche über in London, wo er Anna, Arts Mutter, kennenlernte. Nach allem, was ich weiß, muss Brandon die Affäre nicht weniger skrupellos betrieben haben wie seine Geschäfte. Morgan war zu dieser Zeit erst zwei, der erste Bruder gerade erst geboren, und – das ist natürlich eine reine Vermutung – er hatte vielleicht das Gefühl, zu Hause nicht die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen. Anna lernte er in einem feinen Klub kennen, in dem sie als Bedienung arbeitete. Sie träumte offenbar davon, Schauspielerin zu werden, und Art meint, sein Vater habe angedeutet, er könne da vielleicht behilflich sein. Er stand damals in vollem Saft – ein blendend aussehender Mann mit einem durchdringenden Blick. Selbst auf den Fotos sieht man die Kraft, die von ihm ausging. Die zierliche, unbedarfte Anna hatte nicht die geringste Chance. Als ich sie zwanzig Jahre später kennenlernte, prangte ihr immer noch das Siegel »Opfer« auf der Stirn.
Jedenfalls kam Fay ihrem Mann auf die Schliche, als Anna schwanger wurde. Brandon gab ihr Geld für die Abtreibung, aber Anna weigerte sich – wahrscheinlich das einzige Mal in ihrem Leben, dass sie sich jemandem widersetzt hat. Brandon hätte bestimmt viel mehr lockergemacht, wenn Anna etwas schlauer gewesen wäre, aber am Ende bekam sie gar nichts, und die ganze Geschichte wurde unter den Teppich gekehrt. Fay stand zu ihrem Mann unter der Bedingung, dass er alle Verbindungen zu Mutter und Kind abbrach.
Mit achtzehn machte Art dann seinen Vater ausfindig, aber dieser ließ ihn abblitzen. Art spricht nicht über das Zusammentreffen. Nur dank Morgan weiß ich überhaupt, dass es stattgefunden hat. Als Art auf der Schwelle des Hauses auftauchte, heißt es, habe Brandon ihm den Zutritt verweigert. Es gab große Aufregung, was Morgan vom Treppenabsatz aus mitverfolgte. Art ging, völlig gedemütigt. Morgan rannte ihm nach, und sie unterhielten sich auf der Straße. Ich habe Art mehrmals nach dieser Begebenheit gefragt, aber er hat nur ein einziges Mal darüber gesprochen – kurz vor unserer Hochzeit – und gemeint, das sei der schlimmste Augenblick seines Lebens gewesen.
Als Brandon
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