Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
ich komme mit. Lass es uns dort drüben versuchen.« Lorcan deutet auf eine belaubte Straße, die von der Kirche am Ende des Platzes wegführt.
Wir spazieren zum ersten Haus, und ich sehe mich in dessen Vorgarten um – sauber beschnittene Büsche um ein Quadrat aus Kieselsteinen –, während Lorcan sich vorbeugt und auf den Klingelknopf drückt.
Ich wende mich der Tür zu. Sie quietscht, als sie aufgezogen wird, und ich stelle mir vor, dass derjenige, der dahinter steht, sich wohl fragt, wer wir sind. Es ist eine sehr junge Mutter mit ein paar Kleinkindern. Lorcan beginnt, unsere Geschichte zu erzählen. Er ist ein guter Schauspieler, schafft es, sie jedes Mal wieder echt klingen zu lassen.
»Es tut mir leid, Sie zu stören.« Er schenkt ihr dieses Lächeln, das sich über sein ganzes Gesicht ausbreitet. »Wir suchen nach einem Dr. Martin Rodriguez. Um die sechzig, olivfarbene Haut, dunkles Haar, dunkle Augen … ein Familienfreund, den wir aus den Augen verloren haben … ist unseres Wissens nach Mendelbury gezogen … wir haben dummerweise seine Adresse und Telefonnummer verloren …«
Die junge Mutter schüttelt den Kopf und tritt einen Schritt zurück. »Tut mir leid, nein.«
Schweigend gehen Lorcan und ich zum nächsten Haus. Und zum nächsten. Keiner von uns schlägt vor, dass wir uns wieder aufteilen, um mehr Häuser zu schaffen. Und dann, fünf Häuser weiter, haben wir zum ersten Mal Glück.
Eine Frau mittleren Alters öffnet die Tür. Sie blinzelt, als Lorcan Rodriguez’ Namen erwähnt.
Lorcan hält inne. Ich weiß, dass auch er das Wiedererkennen in ihren Augen gesehen hat.
»Kennen Sie ihn?«, frage ich. »Dr. Rodriguez.«
Die Frau starrt mich an.
»Bitte.« Ich erwidere ihren Blick. »Wir haben gesagt, er sei ein alter Freund, aber die Wahrheit ist, dass ich vor ein paar Jahren seine Patientin war. Ich habe mein Baby verloren … und er hat immer gesagt, er würde sich Zeit für mich nehmen, wenn ich das Bedürfnis hätte, mit ihm zu reden. Ich weiß , er würde wollen, dass ich ihn finde. Es hat auch ihm das Herz gebrochen, als ich es verlor … er war so nett zu mir, und wir sind den ganzen Weg hierhergekommen, und ich kann nicht glauben, dass wir seine Adresse verloren haben und … bitte …« Ich kriege keine Luft mehr und mir versagt die Stimme.
Lorcan legt mir den Arm um die Schultern. Gedankenverloren streicheln seine Finger meinen Oberarm. Ich bekomme eine Gänsehaut auf der Schulter.
»Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns irgendwie helfen könnten.« Lorcan drückt mich an sich. »Meine Frau und ich haben viel durchgemacht, wie Sie sich sicher vorstellen können. Wir hoffen, irgendwie damit abschließen zu können, das ist alles.«
Die Lüge treibt mir die Röte ins Gesicht. Ich kann der Frau nicht mehr in die Augen schauen, also blicke ich zu Boden und beobachte sie aus dem Augenwinkel.
Die Frau sieht Lorcan nachdenklich an. »Na ja«, sagt sie. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, ich habe ihn im Pub gesehen.«
Ich blicke über die Schulter zum Pub auf der anderen Seite des Platzes, in dem wir mit unserer Suche keinerlei Glück hatten.
»Nicht in diesem Pub«, sagt die Frau. »Im Star. Ein paar Minuten von hier entfernt.«
Sie deutet auf die lange Straße, die in entgegengesetzter Richtung vom Platz wegführt. »Zum Star geht’s da die Straße rauf. Zum anderen Ende des Dorfes.«
»Danke«, sage ich dankbar.
Die Frau nickt, und als sie ihre Eingangstür schließt, nimmt Lorcan langsam den Arm von meiner Schulter.
Ich knöpfe meine Jacke zu und rücke meine Mütze zurecht. Die Angst, die seit Stunden in meinem Magen kreist, verfestigt sich zu einem Knoten. Das hier ist endlich eine richtige Spur.
Ich nippe an meinem zweiten Mineralwasser. Es ist schon weit nach sechs, und Lorcan und ich sitzen allein in einer Ecke des Star, von der aus man das ganze Pub im Blick hat. Im Moment ist hier niemand außer dem Barkeeper – einem mürrischen älteren Typen, der den Kopf schüttelte, als wir ihn fragten, ob er in letzter Zeit Dr. Rodriguez gesehen habe. Ein paar Leute sind gekommen und gegangen, doch bis jetzt war niemand dabei, der von dem Doktor gehört hatte.
Art hat vorhin versucht, mich anzurufen. Ich bin nicht rangegangen. Er hinterließ die Nachricht, dass er versuchen werde, heute Abend früher nach Hause zu kommen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen dabei, doch ich schrieb ihm zurück, das brauche er nicht, denn ich habe mich gerade mit »den Mädels«
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