Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
der anderen Straßenseite an. Lauert da jemand?
»Was ist los?«, fragt Lorcan.
»Nichts.« Ich schüttle mich. Doch ich bin mir keineswegs sicher, dass nichts ist.
Lorcan nimmt meine Hand. »Ich glaube nicht, dass du Kaffee brauchst«, sagt er mit einem Kichern. »Vielleicht eine Valium.«
Ich lache. »Ja, bitte.«
Das beängstigende Gefühl, das ich habe, hält an, so als würden wir beobachtet. Wieder schaue ich mich um. Dieses Mal sehe ich ihn klarer: dunkler Mantel, fest zugeknöpft wegen der Kälte … blondes Haar … blasses, kantiges Gesicht. Ich bleibe wie angewurzelt stehen.
»Was ist los?«, fragt Lorcan.
»Der Mann, den wir am Fenster in Rodriguez’ Haus gesehen haben. Dort!«
»Der blonde Typ?« Lorcan reißt die Augen auf. »Hier?«
»Ja.« Ich nicke. »Er verfolgt uns.«
Kapitel 15
Wir verschwinden um die Ecke. Hier sind die Häuser frei stehend mit hohen Backsteinmauern. Wir gehen beim ersten Haus in Deckung, blicken dann zurück. Meine Finger fühlen sich kalt an auf dem rauen Backstein. Der Mann, der uns folgt, versucht, die Straße zu überqueren, in der Lorcan wohnt, doch der Verkehr donnert vorbei und zwingt ihn zu warten. Er runzelt die Stirn, kann es offensichtlich kaum abwarten, die Straßenseite zu wechseln.
»Ach herrje.« Lorcan betrachtet den Mann. Ich spüre ihn hinter mir, sein Kinn reibt an meinem Kopf. »Du hast recht. Das ist eindeutig der Typ aus Rodriguez’ Haus.«
Der Verkehr bleibt dicht, doch ein Stück weiter vorn springt die Ampel um. Bald wird der Mann über die Straße gehen können.
»Was sollen wir tun?«, frage ich.
»Komm!« Lorcan greift nach meiner Hand und zieht mich die Straße entlang.
Ich schaue über die Schulter zurück. Keine Spur von dem Mann. Doch dann taucht er an der Ecke auf, als wir die nächste Querstraße erreichen. Wir rennen die Straße hinunter.
»Er hat uns gesehen«, keuche ich. »Beeil dich.«
»Nein.« Lorcan zieht mich zurück. Er deutet auf eine Lücke zwischen zwei Häusern. »Lass uns dort auf ihn warten.«
»Auf ihn warten ?« Ich starre Lorcan an. »Bist du verrückt? Er folgt uns.«
»Dann lass uns herausfinden, warum. Ihn anhalten und fragen, warum er uns folgt.«
Ich öffne den Mund, um Lorcan zu widersprechen, erkenne jedoch, dass er recht hat. Ich muss herausfinden, was mit Beth passiert ist. Und dieser Mann hat vielleicht ein paar Antworten.
»Okay.« Wir huschen in den winzigen Durchgang zwischen den beiden Häusern.
Als ich um die Ecke spähe, erscheint der blonde Mann am Ende der Straße. Unsicher sieht er sich um und beginnt dann zu laufen, in unsere Richtung. Lorcan beobachtet ihn angespannt und presst die Hand auf meinen Arm, als der blonde Mann näher kommt. Der Mann erreicht das Haus vor dem Durchgang, in dem wir uns verstecken. Sichtlich verwirrt blickt er die Straße rauf und runter. Lorcan tritt aus dem Durchgang heraus.
»Hey!«, ruft er.
Die Augen des Mannes werden immer größer, als Lorcan auf ihn zugeht.
»Warum folgen Sie uns?«, verlangt Lorcan zu wissen.
»Wo ist Geniver Loxley?« Der Mann keucht, versucht, wieder Atem zu schöpfen, während er die Frage hervorstößt. Aus der Nähe betrachtet, sieht er älter aus, als ich gedacht habe – er ist sicher weit in den Fünfzigern, das blonde Haar von viel Grau durchzogen und das Gesicht wettergegerbt.
Lorcan macht einen Schritt auf den Mann zu und packt ihn beim Revers. »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt«, faucht er.
Der Mann taumelt rückwärts. Er hat Übergewicht, und der Mantel spannt über seinem Bauch. Mit einem Grunzen windet er sich aus Lorcans Griff und macht sich schwerfällig davon. Lorcan rennt hinter ihm her, hat ihn in wenigen Schritten eingeholt. Er drückt den Mann gegen die Wand.
Keuchend renne ich zu ihnen hinüber. Spiralförmig dampft mein Atem gen Himmel.
Der Mann hebt die Hände, ein Zeichen der Kapitulation. Er zittert. Tiefe Schatten liegen unter seinen großen, verängstigten Augen. Lorcan boxt ihn in die Brust.
»Wer sind Sie?«, fährt er ihn an. »Warum folgen Sie uns?«
Der Mann steht keuchend vor uns.
Eine kleine Gruppe von Teenagern starrt uns von der anderen Straßenseite her an. Für einen Moment sehe ich die Szene mit ihren Augen: drei Leute mittleren Alters, die in einen Streit verwickelt sind – dann richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Lorcan. Er packt die Jacke des Mannes. Seine Körperhaltung zeigt seine Wut.
»Es ist nicht so, wie Sie denken«, sagt der Mann. Er keucht noch immer,
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