Seit jenem Tag
Gläser, meine Liebe, im Kühlschrank wartet eine Flasche Cava auf uns.«
Und da haben wir es wieder: Wie man es auch dreht und wendet, ich gehörte ihr. Vielleicht wollte ich es ja so.
Sally bestand darauf, dass wir eine Einweihungsparty gaben. Sie liebte Partys, aber ich wusste auch, dass sie mit der Wohnung angeben wollte. Sie schmückte sie mit Lichterketten, plante sorgfältig die Musikfolge und befasste sich mit dem Mixen einer umwerfend starken Erdbeermargarita in unserem nagelneuen Mixer. Es wimmelte nur so von Leuten auf unserer Party, doch wie schon auf meiner Geburtstagsparty stellte ich auch jetzt wieder fest, dass ich zwar Freunde hatte, mich mit diesen allerdings bei Weitem nicht so viel verband wie mit Sally, die alle anderen Freundschaften in den Schatten stellte. Freunde, die nicht zugleich ihre Freunde waren, bedeuteten immer auch ein Risiko, da ihrem scharfen Blick keine Schwäche entging und sie immer einen Weg fand, mir diese auf einem großen Banner vor Augen zu halten. An diesem Abend waren viele Freunde von Shaun gekommen, die älter waren und die ich kaum kannte. Gegen ein Uhr morgens begannen die Nachbarn sich zu beschweren – wir wohnten schließlich nicht in einem Studentenblock –, aber Sally war trotzig.
»Die sind einfach nur stockkonservativ«, sagte sie und schlang ihre Gliedmaßen wie Oktopustentakel um Shaun.
Ich drehte die Musik leiser, ohne mich vom Protestgeheul beirren zu lassen.
»Meine Güte, Livvy!«, herrschte Sally mich an und durchmaß den Raum, um die ursprüngliche Lautstärke wieder hochzufahren. Es war, als wären aller Augen auf uns gerichtet. »Sei doch nicht so ein Spielverderber.«
Als die Musik wieder laut war, brach Jubel aus, und ich zog mich wütend in mein Zimmer zurück. Dort knutschte ein Pärchen auf einem Haufen Mäntel herum, das ich kurzerhand mitsamt dem Klamottenberg vor die Tür warf. Nach einer Stunde war es noch immer laut, und ich machte mich auf die Suche nach Sally. Sie war weder im Wohnzimmer noch in der Küche. Ich klopfte an ihre Schlafzimmertür, und nach viel Gekicher ging die Tür endlich auf. »Hi, Livvy«, sagte sie und drückte mich viel zu fest. Ihre Pupillen waren runde schwarze Knöpfe im Zentrum ihrer hellblauen Augen. Shaun und ein paar andere Leute saßen zusammengequetscht auf dem Bett und schwiegen wie eine Reihe ungezogener Kinder.
»Nehmt ihr Drogen?«
»Nein!«
»Ich möchte nicht, dass Leute in meinem Haus Drogen nehmen!«
»Habt ihr das gehört?«, rief Sally. »Livvy möchte nicht, dass Leute in ihrem Haus Drogen nehmen.« Sie wandte sich mir zu. »Okay, Livvy«, sagte sie im Singsang. »Ich werde dafür sorgen, dass in Livvys Haus keiner Drogen nimmt.«
»Es ist mir ernst, Sally, ich rufe sonst die Polizei.«
Die vier fingen zu lachen an, und ihr Gelächter wurde unkontrollierbar, sodass ich es mit der Angst bekam. Ich war völlig überfordert, weil ich nun die Strafe dafür bekam, mich als jemand präsentiert zu haben, der ich, wie sich jetzt herausstellte, gar nicht mehr sein wollte. Und wenn nun ein Nachbar auf die Idee kam, die Polizei zu rufen – könnten wir dann eingesperrt werden? Ich musste an meinen Dad denken, und wie tief enttäuscht er wäre, und griff flehend nach ihrem Arm.
»Sally, bitte, ich möchte das nicht so haben.«
Sally umarmte mich und drückte mir einen feuchten Lippenstiftkuss auf die Wange.
»Wir haben doch nur Spaß! Du solltest mehr Spaß haben. Du bist meine beste Freundin, und wir feiern eine Party.«
Plötzlich wünschte ich mir mehr als alles andere, in einem großen unordentlichen Haus zu wohnen, wo gebackene Bohnen das alte Kochfeld verkrusteten und ich an einem Küchentisch sitzen und mit Strebern wie mir selbst über die Abgabetermine für unsere Arbeiten stöhnen konnte, als ginge es dabei um Leben und Tod.
Ich vermisste meine Unschuld, die ich so sorglos verspielt hatte und die nicht mehr zurückzugewinnen war.
Aber sie hatte recht: Spaß hatten wir. Die Abende, an denen ich kochte, genoss ich wirklich – Sally war voll des Lobs, obwohl sie nur ein paar Häppchen aß und das Essen dann auf ihrem Teller herumschob –, wir hockten mit den Tellern auf unseren Knien vor dem Fernseher und schauten uns das an, wovon wir im Moment begeistert waren. Sally hatte ein untrügliches Gespür für den Moment, mochte der Anlass auch noch so gering sein, und ein paar Wochen lang war die wöchentliche Folge von This Life ein Mega-Event. Der Donnerstagabend war heilig, und wir
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