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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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kann etwas so Falsches sich so richtig anfühlen? Das waren Williams Worte. Hat er sie ernst gemeint, oder sprachen daraus nur das Trauma und der Rotwein? Nun, da Lola mir gegenübersitzt, ist Sally wieder sehr präsent, und ich kann mir keine Zeit vorstellen, in der man daran glaubte, dass das Richtige das Falsche rechtfertigen konnte.
    Wir verabschiedeten uns an der U-Bahn, beide wieder in Tränen aufgelöst.
    »Ich bin froh um den heutigen Abend«, sagt sie. »Es war …« – sie sieht mich von Trauer überwältigt an –, »es war irgendwie schön.«
    »Ich weiß, was du meinst«, antworte ich und drücke sie so fest an mich, dass ich die Konturen ihres gut gepolsterten Körpers durch ihren Mantel spüre.
    »Auf bald!«, sagt sie.
    »Auf bald«, stimme ich ihr zu.
    »Aber egal, was passiert, wir werden uns auf jeden Fall bei der Taufe sehen.«
    Beim bloßen Gedanken daran klumpt sich mir der Magen zusammen, doch ich ringe mir ein Lächeln ab.
    »Natürlich.«
    Nachdem wir uns verabschiedet haben und ich bereits auf dem Weg zu meiner Rolltreppe bin, ruft Lola mir plötzlich hinterher. Sie kommt mir nachgelaufen und hält mich am Arm fest.
    »Sie hat sich bemüht, weißt du«, sagt sie sehr emotional. »Ich habe gerade nachgedacht. Als ich das letzte Mal drüben war, bin ich in ihr Zimmer geplatzt, um ihr eine Tasse Kaffee zu bringen, und da war sie damit beschäftigt, all ihre umwerfenden Sachen aus ihrem Kleiderschrank zu zerren und zusammenzupacken. Ich erinnere mich daran, weil sie mich regelrecht angeschnauzt hat, und jetzt verstehe ich auch warum. Sie wolle sie verkaufen, sagte sie. Offenbar hat sie versucht, das geschuldete Geld zurückzuzahlen.«
    Oktober 1996 – Mai 1997
    Während der Sommerferien verbrachte ich viel Zeit mit James, nachdem die gezwungene Lockerheit unserer Beziehung wiederhergestellt war. Er war ein neunzehnjähriger Junge und neigte nicht dazu, Dinge zu sehr zu analysieren, sondern war einfach froh, dass wieder Normalität eingekehrt war. Ich gab ihm Ratschläge für den Umgang mit anderen Mädchen, wobei ich entschlossen den Kloß in meinem Hals hinunterschluckte und dann fröhlich seine Absagen auf den letzten Drücker akzeptierte, wenn sich mein ausgezeichneter Rat ausgezahlt hatte. Da ich viel zu feige und ihm viel zu ergeben war, um an den Preis zu denken, den ich damit bezahlte, nahm ich, was ich bekommen konnte: Ich war wie eine Abhängige, nur dass meine Droge James hieß, und verpfändete mein Herz, um einen Schuss zu bekommen.
    Dann war ich wieder in Leeds, und es war an der Zeit, mit schlechtem Gewissen in die Wohnung umzuziehen, deren Preis in jeder Hinsicht zu hoch war. Während der Ferien hatte ich Lola drei- oder viermal angerufen, doch sie hat meine Anrufe nie beantwortet. Ich hatte auch versucht, ihr einen Brief zu schreiben, aber unsere Freundschaft war einzig auf Lügen gebaut, und außerdem schaffte ich es nicht einmal, mein Verhalten vor mir selbst zu rechtfertigen. Ich erinnere mich an meinen Versuch, mit Jules darüber zu reden, wobei ich mich dabei ertappte, dass ich wieder log, fast schon unbewusst, weil es mir zu peinlich war, ihr zu erzählen, wie schamlos wir gewesen waren. Ich hatte mich selbst einsam und von einer Person abhängig gemacht. Und ich vermisste Lola weitaus mehr, als ich das hatte vorhersehen können, und klammerte mich deshalb an die Hoffnung, dass all die Klischees von der Zeit, die alle Wunden heilt, sich als wahrhaftig erweisen würden.
    Sally kam vor mir zurück und war bereits bei Habitat gewesen, wo sie einen Couchtisch aus gebleichtem Holz und einen Zeitschriftenständer aus Chrom und sonst noch alle möglichen modischen Stücke erstanden hatte, die wesentlich besser zu einer Martini-Werbung als in eine Studentenwohnung gepasst hätten.
    »Sieht doch super aus, wenn ich mich mal selbst loben darf«, sagte sie und grinste mich triumphierend an.
    »Ja, tut es«, bestätigte ich, ließ meine Tasche fallen und sog es in mich auf. Ich hätte es gern genossen, aber das fiel mir aus verschiedensten Gründen schwer, nicht zuletzt beim Gedanken an meinen Scheck vom Stipendium, der sich bereits in Rauch aufgelöst hatte. Sie hatte den Vorschlag gemacht, uns für Haushaltsdinge ein gemeinsames Konto einzurichten, doch ich hatte nicht genügend nachgeforscht, was das bedeutete. »Aber wie sollen wir uns das leisten … «
    Sie winkte großzügig ab.
    »Mach dir keine Gedanken deswegen, du kannst es mir zurückzahlen. Und jetzt hol ein paar

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