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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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werden. Wir sind kein unbeschriebenes Blatt mehr. Mir fällt auf, dass er mich ein paar Mal ansieht, wenn er glaubt, ich bekomme es nicht mit, er ist wachsam, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Außerdem gibt er sich auch Mühe, mir Fragen zu den unterschiedlichen Phasen in meinem Leben zu stellen, die man erwartungsgemäß nach so vielen Treffen längst hätte abgehakt haben müssen. Das ist sehr zuvorkommend und zeigt auch, dass er sich wirklich für mich interessiert, aber in meiner Paranoia komme ich mir vor wie bei einem Bewerbungsgespräch mit ungewissem Ausgang. Als ich ihm stammelnd meine Beziehung zu Marco schildere, wird mir klar, dass ich ihr mehr Bedeutung beimesse, als sie verdient. William war verheiratet und hat ein Kind, und da komme ich und habe gerade mal ein paar Monate des Zusammenlebens vorzuweisen – er soll allerdings nicht den Eindruck bekommen, dass ich kaum Erfahrungen gesammelt habe.
    »Beziehungen neigen dazu, sich dorthin zu entwickeln, nicht wahr?«, sagt er. »Entweder lässt man sich dann vollständig darauf ein oder geht auseinander.«
    »Genau«, stimme ich ihm zu, obwohl ich sehr gut weiß, dass ich diesem Punkt nie nahe gekommen bin. James schleicht sich völlig ungebeten in mein Bewusstsein ein – den Grund dafür möchte ich lieber nicht genauer analysieren.
    »Das ist das Gute an einer Ehe. Sie zwingt dich zu einer Entscheidung und setzt dem Dahintreiben ein Ende.«
    »Sagtest du nicht … dass du unter ziemlich großem Druck standst, dich zu verheiraten?«
    Warum habe ich das gesagt? Ich möchte wirklich nicht den Eindruck erwecken, als wollte ich seine Ehe mit Sally abwerten – wie eine böse Stiefmutter, die auf ihre Chance wartet.
    »Zweifellos, aber das heißt nicht, dass ich es bedauert habe«, erwidert er beherzt. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauche jetzt einen Nachtisch.«
    Ich schlage ihm vor, dass wir uns die Rechnung teilen, doch davon will er nichts wissen – in meine Erleichterung mischt sich allerdings schmerzhaft der Gedanke an den Schuldenberg, der auf ihn wartet. Bevor wir aufbrechen, renne ich noch kurz aufs Klo und kaue wie verrückt auf einem Kaugummi herum, um den alles überdeckenden Knoblauchgeschmack der Schnecken loszuwerden, die er sich unbedingt mit mir hatte teilen wollen. Draußen auf dem Gehsteig nimmt er mich an der Hand.
    »Sollen wir zu Fuß gehen?«, fragt er, und ich nicke, obwohl ich gar nicht genau weiß, wohin wir gehen. Wir queren einen jener eleganten Plätze mit eingezäunten Gärten in der Mitte und kommen dann am Connaught vorbei: Ich frage mich, ob er einen Absacker vorschlägt, aber das tut er nicht.
    »In der Arbeit hat sich diese Woche was ergeben«, taste ich mich vor. »Wie es aussieht, werde ich womöglich wegen dieser Flynn-Geschichte nach New York fliegen.«
    Er schaut mich mit entsetzter Miene an. Ich weiß nicht, ob es allein an dem Wort New York liegt oder ihn die Vorstellung schockiert, dass ich dorthin fliege.
    »Verstehe.«
    »Ich dachte nur – falls es sich überschneidet und ich dich dort in irgendeiner Hinsicht unterstützen kann …«
    »Das ist sehr freundlich«, sagt er automatisch. »Bist du schon mal dort gewesen?«
    »Nein, noch nie.«
    »Du hast doch Mara und Richie kennengelernt, oder? Ich werde den Kontakt zu ihnen herstellen. Wenn man das erste Mal dort ist, kann es ziemlich überwältigend sein. Die beiden werden dir sicherlich gern die Stadt zeigen.«
    Richie und seine furchterregende Ehefrau sind mir egal und das Sightseeing ebenso – mir geht es um William. Ich sehe ihn an, aber er wirkt wie so oft verschlossen, und deshalb lasse ich es bleiben.
    »Danke. Das wäre großartig.«
    »Ich wollte dich fragen, nachdem wir heute die Einzelheiten der Taufe besprochen haben«, sagt er und erklärt damit das Thema New York für abgeschlossen, »ob du vielleicht Lust hast, Julia mitzubringen?«
    Die Taufe: Allein der Klang dieser Worte erfüllt mich mit Angst. Der Gedanke, coole Distanziertheit vortäuschen zu müssen – vor Lola, vor seinen Eltern, vor dem Rest von Sallys Freunden –, während sie sich die ganze Zeit über fragen, warum ich von der Komparsin zur Patin erhoben wurde, ist entsetzlich. Ich muss Lola anrufen und es ihr vorher sagen, war aber bisher zu feige gewesen. Ich bin in Sorge, sie könnte eins und eins zusammenzählen, indem sie an die Informationen denkt, die ich hatte, und daran, wie ich sie ausgehorcht habe, und dann ihre eigenen Vermutungen anstellen. Wenn ich

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