Seit jenem Tag
seines Gottvertrauens glaube ich nicht, dass William irgendwelche Antworten auf all seine Fragen bekommen hat.
Seine Wut, die er normalerweise zügeln kann, ist im Moment mit Händen zu greifen. Ich glaube, dass Madeline mit ihrem Schreien und Füßestampfen es richtig macht – sie lässt ihren Ärger und ihren Frust wenigstens aus sich heraus.
»Du erwartest so viel von dir«, sage ich und streichele den Rücken seiner heißen Hand mit meinen Fingerkuppen. »Ich glaube, du versuchst einfach, zu viel zu tun. Es ist doch ganz in Ordnung, einmal den Aufgaben nicht gewachsen zu sein: Madeline und die Anhörung sind allein schon genug. Kannst du nicht einfach sagen, dass du eine Auszeit brauchst?«
Eine Sekunde lang wird er weich, sein Körper entspannt sich ein wenig, doch ich sehe, dass sich sein Kiefer verhärtet, als würde er sich von jedem übergriffigen Selbstmitleid abschotten.
»Ich bin der Aufgabe absolut gewachsen, es ist nur eine Frage der Konzentrationsfähigkeit.« Er sieht mich jetzt direkt an, und es ist jener Blick, der mir zu Herzen geht. »Aber danke. Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen.«
»Ich mache mir wirklich Sorgen.« Ich bemühe mich, mir nicht zu viel anmerken zu lassen. »Das mag sich verrückt anhören, aber möchtest du, dass ich es versuche?«
»Du willst es versuchen?«
»Wenn sämtliche Fakten vorhanden sind, könnte ich es mir doch mal ansehen und daran feilen.«
Er steht auf, und seine Hand greift automatisch nach seinem Glas.
»Schaden kann’s nicht.«
»Da würde ich nicht drauf wetten.«
Ich bin ziemlich stolz auf mich. Bis vor einer Stunde wusste ich noch nicht, was diplomatische Immunität bedeutet, aber es gelang mir, ein paar Absätze miteinander zu verbinden, die ihm als Brücke dienten, um darauf eine mitreißende Schlussfolgerung aufzubauen – komischerweise scheint mich der zweite Platz bei dem Schreibwettbewerb mit neuem Selbstvertrauen erfüllt zu haben. Wir sehen uns die fertige Rede an und prosten uns zu, und eine Sekunde lang schere ich mich einen Dreck um Flynn oder Mary oder alle anderen. William schließt mich in seine Arme.
»Du bist ein Wunder«, sagt er und küsst mich richtig. Würde es sich doch nur nicht so gut anfühlen: Diese Augenblicke sind wie die letzten Tage im schönsten Urlaub des Lebens.
»Erstarrte Käsemakkaroni mag keiner«, sage ich und löse mich schließlich von ihm.
Es gibt während des Essens ein paar richtig fröhliche Momente, weil wir spüren, dass wir zusammen etwas erreicht haben. William entschuldigt sich dafür, dass unser Übernachtungsausflug ein Fantasiegebilde geblieben ist, aber ich versichere ihm, dass ich Verständnis dafür habe. Er erkundigt sich nach meiner Arbeit und hört mir aufmerksam zu, als ich es ihm erzähle.
»Du kannst dort nicht ewig bleiben«, sagt er. »Du musst dir darüber klar werden, ob du dort wirklich eine Zukunft hast. Du brauchst Wertschätzung.«
Ich sehe ihn an und wende mich dann ab.
»Ich weiß.«
Dann erkundige ich mich vorsichtig nach dem Papierkram, der überall in der Wohnung verteilt ist, ob es noch irgendwelche Enthüllungen gegeben hat. Seufzend sammelt er sich, und ich frage mich wie schon so oft, was mich dazu antreibt, immer wieder nachzubohren.
»Es gibt möglicherweise eine Art Muster zu den Bargeldabhebungen, das ich anfangs gar nicht erkannt habe. Es sind übrigens auch mehr als gedacht.«
»Was für ein Muster?«
»Sie scheinen in der Regel immer in den ersten fünf Tagen des Monats stattzufinden. Vielleicht dann, wenn es bei Bergdorf Goodman die besten Stücke gibt!«, ergänzt er mit dem Versuch eines wenig überzeugenden Lächelns.
Wieder muss ich an den Chip denken: Wurde dann womöglich immer die monatliche Gebühr fällig? Aber die Summen, von denen er spricht, gehen weit über das hinaus, was man für einen Lagerraum zahlen muss.
»Ich frage mich nur – was Madeline über den geheimen Ort gesagt hat, meinst du nicht, sie könnte den irgendwo gehabt haben?«
Sein Gesicht verschließt sich wie eine Muschel und vergräbt die Wut darin, und ich mache einen Rückzieher. Immer wieder überlege ich mir, ihm von den Kleidern, von dem Chip zu erzählen, aber ich weiß, dass er nichts davon hören will. Abweichungen vom Skript erträgt er nicht, und die schattenhaften Drohnen von der Versicherungsgesellschaft bieten ihm ein passendes Feindbild. Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, was geschehen wird, wenn sie wieder abgetaucht sind, egal nach welchem Urteil.
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