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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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der Taufe statt, nicht wahr?«
    »Das hast du dir gut gemerkt. Wirst du immer noch …«
    »O nein. Das ist jetzt alles vom Tisch. Charlotte fährt.«
    Sehe ich etwa Erleichterung in seinem Gesicht? Ich weiß es nicht, vielleicht sehe ich auch mal wieder nur Gespenster. Er kommt zu mir, reicht mir das Glas und gibt mir einen Kuss.
    »Das ist Pech. Nimm es nicht allzu persönlich. Ich weiß, dass du hervorragend arbeitest.«
    »Danke. Ich versuche, gelassen zu bleiben.«
    Der Chip ist nach wie vor eine feste Größe in meiner Handtasche, obwohl ich nicht nach New York fliegen werde. Ich bin mir sicher, dass die Wahrheit über Sallys letzte Monate nicht in diesen trockenen Dokumentenstapeln zu finden ist. Mein Blick fällt auf das Foto, auf ihr Lächeln.
    »Ich wollte uns was zum Essen kommen lassen«, sagt er.
    »Ich könnte doch für uns was kochen«, schlage ich vor und versuche dabei nicht an den seltsamen, sterilen Inhalt des Kühlschranks zu denken. »Falls nötig, kann ich rasch um die Ecke gehen und was einkaufen.«
    In dieser Gegend dürfte die Wahrscheinlichkeit, etwas so Nützliches und Gewöhnliches wie einen Tante-Emma-Laden zu finden, nicht sehr groß sein, aber es geht hier ums Prinzip. Ich möchte mich nützlich machen und nicht, dass wir wieder bei einem x-beliebigen Lieferservice was bestellen.
    »Das wäre wunderbar«, sagt er, und seine Miene erhellt sich. »Siehst du es mir nach, wenn ich noch ein wenig arbeite, während du kochst? Ich sitze an einer Rede für einen der Chefs im Büro von Washington und habe noch nicht den richtigen Dreh gefunden. Ich hätte früher damit anfangen sollen, aber Madeline hatte zur Schlafenszeit wieder einen Wutanfall.«
    »Selbstverständlich«, sage ich und überlege, ob ich nachhaken soll, doch er hat sich bereits wieder dem Bildschirm zugewandt.
    Mir ist nicht klar, ob das ein Fortschritt ist – wir beide nebeneinander in einvernehmlicher Harmonie – oder wieder ein anderes Stoppzeichen, das ich übersehe. Ich weiß, was James sagen würde.
    Ich habe dem küchenfertigen geriebenen Cheddar unrecht getan – wie sich herausstellt, rettet er mein Abendessen. Mit ein paar Penne bekomme ich recht anständige Käsemakkaroni hin und finde im Kühlschrank sogar noch einen Salat, der allerdings schon etwas welk ist. Ich höre ganz leise Radio und singe still vor mich hin und versuche das große Glas Wein, das er mir eingeschenkt hat, nicht auszutrinken – ich war den ganzen Tag zu nervös gewesen, um was zu essen, und bin schon nach dem halben Glas ein wenig beschwipst. Ich hatte gehofft, William würde von sich aus kommen, aber als der Käse schon eine schöne Kruste hat, ist noch immer nichts von ihm zu sehen. Ich gehe nach nebenan, wo er am Schreibtisch sitzt, den Sessel Richtung Park ausgerichtet, und ins Leere starrt.
    »Hi, es ist fast …«
    »Großartig«, sagt er und wendet sich mir wieder mit einem Lächeln zu, das nichts weiter als ein Versuch ist zu überspielen, dass er tief in Gedanken versunken war.
    »Was ist denn?«, frage ich vorsichtig.
    Er richtet seinen Blick wieder hinaus auf die Bäume, dann sieht er mich an.
    »Ich krieg das verflucht noch mal einfach nicht hin!«, sagt er und schlägt mit der Hand auf den Schreibtisch. Ich glaube nicht, dass ich ihn schon mal habe fluchen hören.
    »Ich weiß. Es ist so grausam, aber du hast schon so viel gemacht. Wenn du das erst mal nach Amerika geschickt hast, musst du nur noch die Anhörung überstehen. Die du natürlich fürchtest, aber …«
    »Nein, es ist die Rede! Ich hatte das noch nie. Schreibblockade nennt man das wohl. Es will einfach nicht kommen.«
    Er kocht vor Wut.
    »Worum geht es denn?«
    »Diplomatische Immunität.«
    »Glaubst du denn an das, was du sagen musst?«
    »Es ist mir egal, Livvy, das ist ja das Problem. Es ist mir einfach egal. Sämtliche Fakten sind vorhanden, aber ich schaffe es offensichtlich nicht, ihnen eine Bedeutung zu geben.«
    Ich stehe noch immer in der Tür. Ich gehe durch den Raum und setze mich auf die Couchtischkante, sodass ich greifbar bin für ihn, doch ich berühre ihn nicht. Zu den vielen rätselhaften Dingen im Umfeld des Todes gehört, wie unterschiedlich man damit umgeht. Er kann bewirken, dass alles mehr Bedeutung bekommt als je zuvor und man das Leben in allen Zügen genießt, oder er kann alles bedeutungslos werden lassen, es ist ein Spiel, dessen Regeln wir nicht kennen und das jederzeit brutal von einer höheren Macht abgebrochen werden kann. Trotz all

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