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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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zwar noch nicht darauf angesprochen, aber ich denke, er ist ziemlich katholisch. Als würde hinter jeder Ecke die Schuld lauern, verstehst du?«
    Es ist genau der wunde Punkt, den Sally sich ausgesucht und dann in eine tödliche Waffe verwandelt haben dürfte. Sein Glaube war so fatal für ihn, wie meine Unsicherheit es für mich war.
    »Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber gib ihm Zeit. Natürlich ist dieser Fall extrem, aber ich denke, eine Spur von der Person, zu der man zuletzt in Beziehung stand, bleibt immer zurück.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Phil nennt mich auch noch einmal im Jahr Lisa.« Ich sehe sie erstaunt an. »Er ging mit ihr im ersten Jahr, und sie hat ihm den Laufpass gegeben. Erinnerst du dich nicht, wir nannten sie Doppeldeckerarsch, als ich dann mit ihm zusammen war?«
    »Ach, die meinst du!« Jetzt fällt mir wieder ein, dass Jules mich zwang, mir drei Fotos von ihr in allen forensischen Details anzuschauen, bis wir absolut sicher waren, dass sie die Hübschere war. »Noch immer?«
    »Ja. Das hat nichts zu bedeuten. Sie war einfach die Letzte. Ich bleibe über Facebook auch immer noch ein wenig an Bradley dran.«
    Bradley war ihr Freund aus dem Abiturjahr, ein völlig nichtssagender Typ, bei dem ich mir nicht vorstellen kann, dass sich in den letzten Jahren irgendwas halbwegs Interessantes ereignet hat. Ihre Sichtweise darauf kann nur ein Symptom ihrer unnatürlich optimistischen Weltsicht sein.
    »Aber wenn William sich nun nie erholt? Was ist, wenn er bei mir bleibt, aber nie richtig da ist? Da könnte ich ja gleich ein Hologramm lieben.«
    »Livvy …«, sagt Jules und bereitet sich darauf vor, mir mehr Trost zu spenden, ich lasse sie allerdings nicht zu Wort kommen, weil alles so dicht an der Oberfläche ist.
    »Ich fürchte, ich bin einfach ein hoffnungsloser Fall wie Dad. Was soll das überhaupt, ich bin doch nur eine aufgebrezelte, hochtrabende Version von mir, die sich nach jemandem verzehrt, der mich niemals haben möchte? Ich will nicht mehr so sein.«
    Ich höre, wie meine Stimme bei diesen Worten, meiner ans Licht gezerrten dunkelsten Angst, brüchig wird. Jules wendet sich mir mit genau dem Lächeln zu, das ich sehen möchte. Es ist kein »Nun reiß dich zusammen«-Lächeln oder ein »Mach dich nicht lächerlich, Livvy!«-Lächeln, es ist ein »Ich höre dir zu, und obwohl ich nicht deiner Meinung bin, heißt das nicht, dass du als Person lächerlich bist«-Lächeln.
    »Okay, erstens: Es ist nicht wahr. Und zweitens: Dad geht es gut. Ich denke, er wollte es dir selbst sagen, aber ich habe mit Nat am Montag bei ihm vorbeigeschaut, und jetzt rate mal, wer da war?«
    »Mum?«
    »Nein, Livvy, natürlich nicht Mum. Margery! Sie sind ein Paar.«
    »Die Rotgesichtige?«
    »Genau die. Und wenn du es dir genau überlegst, war es auch damals schon ziemlich offensichtlich.«
    Nicht für mich. Ein paar Kreuzungen lang schweige ich und versuche das zu verdauen. Es ist ja eigentlich keine große Sache, doch irgendwie löst sie ein Erdbeben aus. Der arme einsame Dad mit seinem gebrochenen Herzen ist das alles gar nicht.
    »Denkst du, er ist verliebt?«
    »Schwer zu sagen. Er wird wohl kaum über Nacht zu Rhett Butler werden, aber er hat in seinen Crocs definitiv einen federnden Gang.«
    »Scarlett passt allerdings gut zu ihr.«
    Dieser unlustigste aller Kalauer klingt mir in den Ohren, und ich gebe mich geschlagen und werfe einen Blick auf mein Telefon. Nichts von William. Ich hole meinen Lippenstift aus meiner Handtasche und trage ganz vorsichtig, obwohl ich das Zittern meiner Hände kaum kontrollieren kann, eine weitere Lage auf.
    Als ich das Straßenschild sehe, an dem wir abbiegen müssen, fühle ich mich sofort wieder in die Vergangenheit versetzt. So viel ist passiert, so viel hat sich verändert, und doch ist mir, als hätten James und ich diese Reise erst gestern gemacht. Endlich piept mein Telefon, aber es ist nur Mum.
    Nathaniel heult während der letzten paar Kilometer wie eine Polizeisirene, ein durchdringender, hartnäckiger Laut, der offenbar kein Ende nehmen will. Ich klettere wenig elegant über den Beifahrersitz nach hinten, um ihn zu beruhigen, doch mein sinnloses Gurren und Wedeln mit dem Spielzeug bringt gar nichts. Endlich, als wir schon fast an Ort und Stelle sind, lässt das Geheul nach: Er hält inne, sieht mich mit einer Art von Lächeln an und erbricht schwallartig über mein grünes Kleid.
    »O Livvy …«, sagt Jules entsetzt. »Ich gebe dir gleich die

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