Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
Vom Netzwerk:
weiter vorzudringen versuchte, bekam ich Angst und rollte mich zur Seite. War es tatsächlich Angst? Wenn ich diese Empfindungen heute auslote, dann erkenne ich darin eher falsch verstandene Loyalität – etwas viel Destruktiveres und Komplizierteres, das viel schwerer zu entschlüsseln ist. Schließlich ließ seine Geduld merklich nach.
    »Hast du etwa einfach keine Lust dazu?«, fragte er und versuchte sich seinen verletzten Stolz nicht anmerken zu lassen. »Du kannst es mir einfach sagen, wenn es so ist. Ehrlich gesagt, wäre mir das nämlich lieber.«
    »Nein, ich bin …«, begann ich und umklammerte seinen Arm, weil ich plötzlich Angst bekam, ihn zu verlieren. Das war jetzt Angst, wahrhaftige Angst, und sie sagte mir, dass das, was uns verband, es wert war, darum zu kämpfen. Sofort wurden seine Gesichtszüge weicher, so erleichtert war er, und in diesem Moment erkannte ich, was er für mich empfand. Ich hatte in der Vergangenheit selber oft genug gespürt, dass sich meine Miene veränderte, und es hinter meinen Büchern verborgen in der Hoffnung, mich nicht zu verraten. Ich hatte Matt wirklich sehr gern und wollte auch gern einen Freund haben, aber mir war klar, dass sich mein Herz erst noch öffnen musste.
    »Dann …«
    »Es ist nur, ich habe noch nicht wirklich …«
    »Das ist okay«, sagte er und lächelte, und ich wusste, dass es für ihn tatsächlich okay wäre. Bei Matt gab es nie verborgene Absichten, nie einen komplizierten Doppelsinn hinter dem, was er mir sagte. Das hätte ich länger wertschätzen sollen, aber ich war zu jung, um zu wissen, was für eine seltene und besondere Eigenschaft das war.
    Ich verlor meine Jungfräulichkeit unter lauten Gitarrenklängen aus der Stereoanlage, aus Sorge, es könnte uns jemand hören. Was ich erwartet hatte, weiß ich nicht – vielleicht rechnete ich damit, er würde heulen wie Heathcliff in der Wildnis des Moors –, aber es war eine unnötige Vorsichtsmaßnahme. Anschließend lag ich da, mein Kopf auf seiner Hühnerbrust, und fragte mich, was das ganze Trara darum sollte (denkt das womöglich jeder beim ersten Mal?), war allerdings zutiefst erleichtert, dass ich es endlich hinter mir hatte. Ich war keine Jungfrau mehr! Er war vor meinen linkischen Versuchen eines Vorspiels nicht schreiend davongerannt! Er hatte überhaupt nicht geschrien, aber vielleicht war gerade dies was Schlimmes, doch so, wie er mir übers Haar strich, konnte ich mir sicher sein, dass er glücklich war, neben mir zu liegen.
    Den ganzen nächsten Tag schwelgte ich in der Vorstellung, wie weiblich und raffiniert ich nun war – ich kaufte mir meinen trüben Fairtrade-Kaffee im Gemeinschaftsraum mit einem koketten Lächeln, zückte meine Bibliothekskarte mit französischer Eleganz – und die Welt sah plötzlich ganz anders aus, jetzt, da ich endlich bei dem Thema schlechthin mitreden konnte. Und so beschäftigte mich auch die Frage, ob Sally diese Veränderung an mir bemerken würde, selbst wenn sie nicht genau ausmachen konnte, woran es lag.
    Mein neugefundenes Selbstvertrauen machte mich risikobereit, dies herauszufinden. Matt hatte Schwimmtraining und ich somit den Abend für mich, und ich näherte mich zögerlich ihrer Tür und klopfte leicht mit dem Hals einer Flasche Wein an, die ich mit zwei Gläsern in meiner Hand hielt. Ich hörte Geräusche von drinnen, aber sie forderte mich nicht auf einzutreten.
    »Sally?«
    »Ich kann mich jetzt nicht um dich kümmern«, schrie sie, und ihre Stimme war so schrill, dass es sich anfühlte, als hätte sie mich geschlagen.
    »Okay, ich bin nebenan, falls du …«
    In dem Moment flog die Tür auf, ihr Gesicht war von Wimperntusche verschmiert, das Haar ein wirres Durcheinander. Noch nie hatte ich sie so gesehen, sie zeigte sich nackt und roh, ohne jegliche Politur, und wirkte wahrhaft beängstigend.
    »Livvy«, schluchzte sie und warf sich mir an den Hals, dass mir fast die Luft wegblieb. Ich ließ die Flasche fallen und drückte sie an mich und folgte ihr in ihr unaufgeräumtes Zimmer. Sie trug ein gammeliges altes Sweatshirt, himmelweit entfernt von den glänzenden Outfits einer zukünftigen Fußballerbraut, in denen sie sich sonst zu präsentieren pflegte. Ich streichelte ihr den Rücken durch den Stoff und wartete, bis ihr Schluchzen nachließ.
    »Was ist denn los, Sally? Was ist passiert?«
    »Er liebt mich nicht«, jammerte sie.
    »Der Verrückte Professor?«
    »Nenn ihn nicht so! Gabriel. Er liebt mich nicht.«
    Ich hatte es eigentlich

Weitere Kostenlose Bücher