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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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verströmt. Als mein Telefon klingelt, könnte ich fast heulen vor Erleichterung. Natürlich sollte ich den Anruf ignorieren, aber der heutige Tag verlangt mir zu viel ab, weshalb ich nur zu gern nach diesem Rettungsring greife.
    Die Nummer ist mir nicht bekannt, deshalb verdrücke ich mich aus dem Büro, um den Anruf entgegenzunehmen. Ich weiß, dass Mary uns gern ständig im Blickfeld hat, doch es gibt nichts Ineffizienteres als Großraumbüros – ständig versammeln sich alle wie die Tauben auf dem Flur und kreischen heimlich in ihre Handys.
    »Olivia?«, sagt eine mir nicht vertraute geschliffene Stimme. So nennt mich kaum jemand.
    »Ja?«
    »Hier ist William Harrington, Sallys Ehemann.«
    »Hi, William.« Ich würde ihn gern fragen, wie es ihm geht, aber das wäre dann doch zu krass. »Ich habe … ich habe an dich denken müssen.«
    »Danke«, erwidert er steif. »Ich hoffe, du hältst es nicht für vermessen, an unser Gespräch von … von gestern anzuknüpfen, aber ich würde mich wirklich sehr gern mit dir über Sally unterhalten.
    »O«, sage ich mit krächzender Stimme.
    »Du kannst ruhig sagen, wenn dir das zu kurzfristig ist, aber ich hatte an morgen Abend gedacht. Ich weiß nicht, wie lange wir noch hier sein werden, und möchte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.«
    Etwas an seiner Stimme, die immer wieder stockt, verrät mir eine Parallele zu meinen Gedanken, die immer wieder an denselben Stellen ins Stocken geraten. Eine unerklärliche Angst beschleicht mich. Ich will etwas erwidern, doch ich bringe kein Wort über die Lippen. Ich sehe die entsprechende Seite meines Terminkalenders vor mir, sie ist leer, und dennoch kann ich nicht Ja sagen.
    »Es tut mir wirklich leid, aber morgen … morgen kann ich nicht«, entgegne ich und hasse mich dafür, wie fremd meine Stimme klingt. Es ist die Stimme einer Lügnerin, einer schlechten Lügnerin, schrill und blechern.
    »Verstehe«, sagt er. »Mir war klar, dass das so kurzfristig viel verlangt wäre.«
    Ich bin ein fürchterlicher Mensch. Eine Heuchlerin. Schließlich habe ich ihm ein Versprechen gegeben. Vielleicht habe ich in ein paar Tagen wieder mehr inneren Halt und bin eher in der Lage, ihm zu geben, was er braucht.
    »Wirst du gegen Ende der Woche noch da sein?«
    »Vielleicht.« Er macht eine Pause, und seine Stimme wird schroffer. »Ich habe im Moment keine Verpflichtungen.«
    Bei diesen Worten erfasst mich tiefes Mitgefühl.
    »Versuch es doch bitte noch mal, wenn du es weißt«, sage ich empathisch. Ich werde das doch schaffen, wenn ich mich darauf einstelle?
    »Das werde ich. Auf Wiedersehen, Olivia, und danke.«
    Januar 1996
    Wir waren zueinander auf Distanz gegangen, das war mir bewusst, aber sie war schemenhaft und substanzlos, schwer zu benennen. Zwar bot Sally mir nach wie vor an, zusammen auszugehen, und kam gelegentlich bei mir vorbei, aber uns verband nicht mehr die alles verzehrende Intimität des ersten Trimesters. Ich versuchte mir einzureden, dass es an den Leuten lag, die wir kennengelernt hatten – meine Liebesbeziehung zu Matt kam langsam in Schwung, und ich wusste, dass ihr Techtelmechtel mit Dr. Roberts noch immer aktuell war, obwohl sie mir jedes Mal wenn ich sie unbeholfen danach fragte, nur ausweichende Antworten gab. Ich hatte Lola und sie in der Küche überrascht, als sie dort Wein in sich hineinkippten und sich ausschütteten vor Lachen über den »Verrückten Professor«, und war mir dabei wie die Spaßpolizei vorgekommen. »Wie?«, fragte ich, und sie machten Anstalten, mich einzuweihen, dass damit Sallys Lover gemeint war, aber bei ihrem Versuch, mir den Witz nahezubringen, blieb dieser total platt.
    Die Tatsache, dass sie sich gar keine besondere Mühe gaben, verdeutlichte mir schuldbewusst, wie blasiert ich mich verhalten hatte, als Lola diejenige war, die ausgebootet wurde.
    Ich hatte noch nie zuvor einen richtigen Freund gehabt, nur jene Schwärmerei für James, und demzufolge keine Ahnung, wie sich so etwas anfühlte. Meine Vorstellungen von der Liebe stammten fast ausnahmslos aus Büchern – Nancy Mitford und Jane Austen –, weshalb der arme alte Matt ein paar Verabredungen über sich ergehen lassen musste, denen es an Action mangelte. Es lag auf der Hand, dass sich keiner wegen knuspriger Kartoffelecken mit 10 % Studentenrabatt ausführen ließ, doch das Gefühl dabei war dasselbe: Ich wollte umworben werden. Wir küssten uns auf meinem Bett, nahezu komplett angezogen, aber wenn Matt ein weniger

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