Seit jenem Tag
ihr Saftglas erhebt. »Ihr solltet Prost sagen«, meint sie vorwurfsvoll. Damit bricht sie den Bann, und wir stoßen an. Jules erweist sich als meine Geheimwaffe. Sie geht auf das ein, was passiert ist, respektiert den Kontext, weswegen wir hier sind, doch die Tatsache, dass Madeline sie als eine Verbündete sieht, lockert die Situation auf. Sie stellt ihr Fragen und kitzelt aus ihr mehr heraus als einsilbige Antworten, erntet sogar hier und da ein Kichern. Das wiederum scheint William zu erlauben, ein wenig aus seiner Reserve herauszutreten, sodass der Tisch auf angenehme Weise in zwei Lager zerfällt.
»Wie geht es deinem Kampf um Leben und Tod mit deiner Erzrivalin?«, erkundigt er sich mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich hatte ganz vergessen, dass ich ihm von Charlotte erzählt hatte.
»Robot Girl? Katastrophal«, sage ich stirnrunzelnd. »Alles, was mir einfällt, kommt mir so banal vor. Flynn Gerrard ist ein Star. Er wird etwas haben wollen, das funkelt und glitzert.«
Charlotte ist an ihrem eigenen Firmament ebenfalls ein Star, der in einem grellen, künstlichen Licht strahlt. Sally kommt mir in den Sinn, ein Stern, wie ich damals keinen größeren und strahlenderen gekannt habe. Mit einem Seitenblick auf William versuche ich zu ergründen, ob auch er ihre bebende Präsenz zwischen uns spürt. Ich sollte ihm sagen, was ich von Madeline erfahren habe, doch ich kann es nicht hier tun, nicht in ihrer Gegenwart. Vielleicht sollte ich es ihm per E-Mail mitteilen, aber die Vorstellung, diese doppeldeutige Information auf so unpersönliche Weise zu vermitteln, kommt mir irgendwie grausam vor. Vielleicht ist das alles ja auch nur mein Problem, die arrogante Vermutung, besser über seine Gefühle Bescheid zu wissen, und eine Übertragung meiner eigenen komplizierten Beziehung zu Sally auf ihn.
»Entschuldige bitte, ich möchte wirklich nicht herablassend wirken, aber ist es dir wirklich wichtig? Die Aufgabe als solche, meine ich, nicht das Bedürfnis, der Eisprinzessin eins auszuwischen?«
»Welcher Prinzessin?«, fragte Madeline und spitzt die Ohren. »Kennst du eine echte Prinzessin?«
»Ganz im Gegenteil«, sagt William. »Jetzt iss noch ein bisschen mehr von deinem Salat, dann kannst du auch einen Nachtisch bekommen.« Er wendet sich wieder mir zu und bohrt seine dunklen Augen in mich.
»Selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, jemandem wie ihr fällt alles in den Schoß. Sie muss …« Endlich finde ich die richtigen Worte für das, was ich ausdrücken möchte. »Sie muss nichts dafür tun. Es ist alles vorherbestimmt.«
»Wenn du darüber sprichst, spüre ich deine Begeisterung für dieses Projekt. Du wirst das Rennen machen, dessen bin ich mir ganz sicher.«
Er sieht mich an, und sein Gesicht strahlt eine solche Überzeugung aus, dass sie ansteckend wirkt. »Wenn ich eine Rede schreibe und es kommt nichts, dann mache ich genau das. Ich gehe zurück zu den Gefühlen, die sie auslöst, und streue dann die Fakten und Zahlen am Ende darüber.«
»Aber wenn du nicht daran glaubst?«
»Wie bitte?«
»Wenn du nicht an das glaubst, was du schreibst. Wenn es nicht die Wahrheit ist.«
»Mag sein, dass es nicht meine Wahrheit ist, aber es ist die Wahrheit von jemand anderem«, sagt er und dreht den Stiel seines Glases. »Und danach suche ich.«
Ist die Wahrheit wirklich so fließend und nicht messbar? Unsere eigene Wahrheit muss doch wohl die Messlatte für uns bleiben, selbst wenn wir uns dafür entscheiden, sie zu ignorieren oder in den Momenten, in denen wir sie nicht ertragen können, zu verbergen. Vielleicht beweist aber auch die Tatsache, dass wir das tun können, die Richtigkeit des von ihm Gesagten.
Ich wende mich ab und Madeline zu – die entschlossen versucht, das unbezähmbare Spaghettigewirr um ihre Erwachsenengabel zu wickeln – und denke über ihre Begeisterung für diese Dinosaurier nach. Vermitteln konnte sie mir diese nicht, erst als ich sie in Bewegung sah, ich sie mir als lebendige Wesen vorstellen konnte, wurde mir klar, dass diese Siebenjährige besser als ich wusste, dass sie es wert waren, sich damit zu befassen.
»Eine Printkampagne ist Zeitverschwendung«, sage ich. »Auf diese Weise hebt es sich nicht genug ab. Am Ende bleiben nur diese schrecklich verallgemeinernden Bilder von traurigen Afrikanern hängen.«
»Und was dann?«
»Ein Werbespot, der eine Geschichte erzählt, wie gut es laufen kann, wenn jemand die richtige Unterstützung erfährt.«
»Und auch das
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