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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Dinosaurier so lebendig wirken können, obwohl sie ausgestorben sind, während ihre Mum einfach spurlos verschwunden ist. »Sie sind ja nicht wirklich lebendig«, sage ich und versuche ihr mit meinem Gesichtsausdruck zu vermitteln, was ich offenbar nicht in Worte fassen kann – dass ich es verstehe, dass es auch für mich nicht zu rechtfertigen und unvorstellbar ist, obwohl ich doch eigentlich eine Erwachsene bin. »Das ist wie in einem Film, wie in Findet Nemo oder so. Nemo ist nicht real.«
    »Das weiß ich«, sagt sie müde und rutscht von ihrem Sitz. »Ich bin kein Baby.« Sie stapft wortlos hinaus, und ich folge ihr nutzlos und beobachte ihre schmale zerbrechliche Gestalt, die auf der Suche nach ihrem Vater den Raum durchquert.
    Jules hakt sich bei mir unter und drückt meinen Arm, und der stete Rhythmus des durch ihre Adern pulsierenden Bluts ist im Moment das kostbarste Geschenk, das ich mir denken kann.

Kapitel 7

    William steht aufrecht auf den Stufen und hat seinen Blick in die Weite gerichtet. Wir folgen Madeline in respektvollem Abstand – hoffentlich denkt er nicht, wir hätten sie einfach mit ihrem Kummer alleingelassen. »Daddy?«, sagt sie, und als er sich umdreht, sehe ich wieder dieses ehrliche Lächeln, dieses Lächeln, das einem das Gefühl gibt, dass er nur an dich denkt.
    »Hallo, mein Schatz. Hattest du eine schöne Zeit?«
    Mein Körper verkrampft sich, weil ich damit rechne, dass sie ihm erzählt, wie wenig sie mit mir anfangen kann, aber es kommt nichts dergleichen.
    »Ja, das hatte ich. Der Stegosaurier hat sich meist wie ein Vegetarier ernährt.«
    »Verstehe«, sagt William und lächelt. »Und hast du dich auch bei Olivia und Julia bedankt?«, fragt er.
    »Das ist wirklich nicht nötig«, werfe ich hastig ein. »Wir haben es genossen, nicht wahr, Jules?«
    »Ja, das haben wir!«, stimmt meine Schwester mir zu, während sie mit dem zusammengeklappten Kinderwagen kämpft. William geht, ohne gefragt zu werden, darauf zu und stellt ihn für sie auf. »Bis zum heutigen Tag wusste ich nichts über Stegosaurier.«
    »Die sind sehr interessant«, verkündet Madeline feierlich, und am liebsten hätte ich sie jetzt in den Arm genommen, wohl wissend, wie wenig willkommen das sehr wahrscheinlich wäre.
    »Ich bin mir sicher, dass die Erforschung von Dinosauriern hungrig macht«, meint William. »Ihr seid bestimmt am Verhungern. Lässt der Biorhythmus des Kleinen ein Mittagessen zu?«
    »Das ist seine liebste Mahlzeit am Tag«, erwidert Jules, und wir setzen uns in Bewegung.
    Wir folgen William durch die breiten Straßen von Kensington, bis wir zu einem Eckrestaurant mit großen Panoramafenstern kommen. Jules und ich tauschen einen kaum wahrnehmbaren Blick, und ich weiß genau, was sie denkt. Unser Dad hätte uns niemals in ein Restaurant wie dieses ausgeführt, im Leben nicht; die seltenen Anlässe, zu denen wir auswärts aßen, fanden in einem Pub zum Mittagessen oder in einem Pizza Express statt, wenn er sich besonders nobel und mondän geben wollte. Madeline rauscht völlig unbeeindruckt von unserer Umgebung hinein und lässt sich lässig vom Kellner einen Stuhl zurechtrücken.
    »Ich hätte gern, dass du dich neben mich setzt«, sagt sie zu Jules, und wieder versuche ich, nicht geknickt zu sein. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf William und frage mich, ob er mich womöglich für eine Versagerin hält, aber sollte dem so sein, so verrät er es mit keinem Wimpernzucken.
    »Haltet ihr es für sehr verwerflich, zum Mittagessen schon Alkohol zu trinken?«, fragt er. »Nein, mit Sicherheit nicht«, antwortet Jules und spitzt die Ohren. »Na, dann bin ich aber erleichtert«, lacht William, und für einen kurzen Moment fühlt sich die Situation ganz normal an – nein, mehr als normal, sogar wunderschön –, doch dann fällt mir wieder ein, wie sie zustande gekommen ist, und ich schäme mich meiner Herzlosigkeit.
    »Wein wäre schön«, sage ich steif. Man weiß einfach nicht, wie man sich verhalten soll. »Gut, dann werde ich Wein bestellen«, entgegnet William und ruft mühelos einen Kellner herbei. Während er rasch die Liste überfliegt, studiere ich sein Profil: In Momenten wie diesen hat man das Gefühl, als würden diese tadellosen Manieren alle Höhen und Tiefen seiner Gefühle unter einer schweren Schneedecke begraben und allem eine zwar perfekte, aber eisige Gleichförmigkeit verleihen.
    Als der Wein gebracht wird, halten wir uns alle unbeholfen an unseren Gläsern fest, bis Madeline

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