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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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ihres platinblonden Pferdeschwanzes das erste Schaubild. Es ist das Foto eines traurigen kleinen afrikanischen Mädchens in zerlumpten Kleidern neben dem größeren Foto eines tadellos uniformierten weißen Mädchens, das grinsend in seine glänzende Zukunft blickt. Es erinnert mich an Madeline, abgesehen von dem breiten, fröhlichen Lächeln. Charlotte rattert Fakten und Zahlen herunter, Lebenserwartungen und Zufriedenheitsindikatoren, alles mit einer Miene von Herzen kommender Ernsthaftigkeit, die blauen Lady-Di-Augen schwer von der schieren Tragik des Ganzen. Flynn richtet sich im Sekundentakt auf, beugt sich auf seinem Stuhl nach vorne und spiegelt mit seiner ergriffenen Miene ihren kunstvoll übermittelten Schmerz. Ich bin erledigt. Es ist nicht der Inhalt – glanzvoll aufbereitet, aber kaum bahnbrechend –, es ist die geleckte Verpackung. Sie hat sich für jenen nuttigen Sekretärinnen-Look entschieden, dem Männer kaum widerstehen können: schwarzer enger Rock mit einer knapp sitzenden weißen Bluse, aufgeknöpft bis zum Optimum. Ihrer Präsentation haftet nicht der leiseste Selbstzweifel an, mit äußerster Konzentration fordert sie einen heraus. Sie ist jetzt beim letzten Schaubild angekommen und hält Blickkontakt zu dem hilflosen Flynn, als wäre er irgendein ganz normaler Typ, der gerade von der Straße hereingekommen ist. Ich bin beeindruckt, auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt.
    »Diese Ungleichheit muss ein Ende haben«, sagt sie und lispelt dabei wie immer, »und wir wissen, Sie sind der Mann, der dem ein Ende bereiten kann. Indem wir unser westliches Kind mit unserem afrikanischen Mädchen vergleichen, bestätigen wir diese Zahlen in all ihrer Wahrhaftigkeit und machen unmissverständlich klar, wie schon eine kleine Spende ein Leben für immer verändern kann … wir wollen die Öffentlichkeit so rühren, wie mein Team und ich gerührt waren. Ich möchte Ihnen persönlich danken, mir die Augen geöffnet zu haben, wie glücklich ich mich schätzen kann. Wie glücklich wir uns alle schätzen können. Ohne Sie würden wir noch immer in Unwissenheit leben.« Sie hält seinen Blick fest, wagt ein bebendes Lächeln und setzt sich dann.
    Flynn hält inne, als sei er emotional zu aufgewühlt, um etwas zu sagen. »Wow«, ruft er schließlich, und seine Rührung betont seinen irischen Akzent. »Ich möchte Ihnen danken«, fährt er fort und durchbohrt sie dabei mit seinen Blicken. »Sie haben mir das alles noch viel wahrhaftiger vor Augen geführt, viel lebendiger als ich das kann.«
    Sie starren einander an, als würden sie eine Art virtuelle Mitleidsnummer schieben, bis Mary schließlich einschreitet.
    »Da haben wir viel Stoff zum Nachdenken«, sagt sie und lächelt zustimmend. »Jetzt wollen wir sehen, was Team zwei uns zu bieten hat.«
    Ich erhebe mich mit zittrigen Beinen und versuche jene unwiderstehliche Art zu kopieren, mit der es Charlotte gelungen war, Flynn in ihren Bann zu ziehen. Unglücklicherweise scheint es ihm nicht zu gelingen, seinen Blick von ihrem Dekolleté abzuwenden. Bilde ich mir das ein oder hat sie es irgendwie geschafft, noch einen weiteren Knopf ihrer knapp sitzenden Bluse ergonomisch aufplatzen zu lassen? Und wie gelingt ihr diese Quadratur des Kreises, sowohl dünn als auch vollbusig zu sein – hoffentlich sind es grässliche tödliche Silikonmelonen, die aus der Nähe jeden Reiz verlieren.
    »Äh …«, beginne ich, weil mich seine mangelnde Konzentration aus der Bahn wirft. »Wir hatten erst an eine Printkampagne gedacht, uns dann aber dafür entschieden, ein wenig Abwechslung hineinzubringen«, sage ich und sehe dabei Chris und den Laptop an. Charlotte richtet fast unmerklich einen finsteren Blick auf mich. Chris ist so ein Blödmann; er fummelt herum und ist von unserem Star so geblendet, dass er die richtige Datei nicht findet. »Bitte denken Sie dran, dass es sich hierbei um einen Rohschnitt handelt«, sage ich entschuldigend. »Aber es war uns wichtig, den Leuten die Thematik in beweglichen Bildern nahezubringen, damit diese Menschen sich nicht mehr nur als hypothetische Opfer fühlen.«
    Wir hatten bei YouTube nach Dokumentationsfilmmaterial gesucht, und deshalb wirkt es ein wenig nach Do-it-yourself und unbeholfen. »Das ist Susan«, fängt es an, mit den Fotos eines Mädchens, das wir gefunden haben. Die Bilder passen nicht hundertprozentig zu unserem Hintergrundkommentar, der von mir laienhaft aufgenommen wurde und uns von ihrem Leben voller Entbehrungen

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