Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
Vom Netzwerk:
sein.
    »Kein Whiskas«, sagte ich.
    »Gott sei Dank«, erwiderte Sally in ihrem Bühnenflüsterton. Ich war mir sicher, dass Lola noch nicht schlief. Ich stellte mir vor, wie sie in ihrer Einzelkoje lag und überlegte, was wir wohl über sie redeten. Sally schlüpfte unter die Decke und sah mich an. »Was ist los?«
    »Bei Francisco«, begann ich und achtete darauf, in normaler Lautstärke zu sprechen, um Lola nicht hellhörig zu machen – Francisco war Sallys älterer Spanier –, »war es da so, dass du ohne ihn nicht leben konntest?«
    Sie sah mich an und saugte alles in sich auf, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen. Genau das liebte ich an ihr: Sie gab einem das Gefühl, dass sie mich mit ihrem allwissenden Blick besser kannte, als ich das je könnte.
    »Du denkst an James, nicht wahr?«
    Ich nickte verlegen.
    »Ich war wahnsinnig verrückt nach ihm«, sagte sie und sprach ebenfalls ganz normal. Ein boshaftes Grinsen überzog ihr Gesicht, und ich wusste genau, woran sie sich erinnerte. Matt und ich hatten beim Sex, einem kameradschaftlichen Tausch von Orgasmen, gefolgt von einem zärtlichen postkoitalen Schmusen, meistens das Licht aus. Sie starrte mich an und wusste ebenso gut, woran ich dachte, obwohl ich Matt nie verraten hatte, indem ich unsere Schlafzimmertür öffnete. Jedenfalls bisher nicht.
    Ich hatte das Gefühl, mich mit ihr wieder in unserer Seifenblase zu befinden und irgendwo hoch und weit weg von allem zu schweben. Wir redeten und redeten, als wäre der Quell unerschöpflich. Ich erzählte ihr, wie stark James in unserer Beziehung herumspukte, obwohl wir uns seit Wochen nicht gesprochen hatten, und als meine Worte sie so erreichten, wie das von mir beabsichtigt war, gestand ich ihr auch noch meine größere, düsterere Angst, irgendwie durch die schreckliche Ehe meiner Eltern wie von einem durch die Luft schwirrenden Virus infiziert worden zu sein, das meine Beziehungs- DNA folgenschwer verändert hatte. Sally lachte, aber diesmal freundlich, und fand die richtigen Trostworte, die ich hören wollte, und erzählte mir dann, was sie durch ihre romantischen Missgeschicke über die Liebe erfahren hatte. Es war eine wohldurchdachte Geschichte, nicht mehr als eine betörende Erzählung, doch im Dunkeln bekam sie das Gewicht von alten auf Pergament festgehaltenen Wahrheiten. Jedes Mal wenn eine von uns aufhörte, fiel der anderen etwas ein, das einfach gesagt werden musste, oder ein blöder Scherz, der erzählt werden musste, bis sich schließlich sogar die Vögel in unser Gespräch einmischten. Wir hatten keine Chance, zeitig und mit klarem Kopf fürs Studium aus den Federn zu kommen.
    Es war Zeit, endlich Schlaf zu finden. Sie rollte sich zu mir herum, gab mir einen Kuss auf meine Wange und drückte für einen Moment ihren Körper durch den dünnen Synthetikstoff an mich. So verweilte sie ein paar Sekunden lang.
    »Gute Nacht, Livvy«, sagte sie mit weicher Stimme, in der etwas mitschwang, das ich bisher noch nicht vernommen hatte. Mir war klar, dass ich es noch nicht kannte, wusste aber nicht, was es war.
    »Gute Nacht«, sagte ich mit zittriger Stimme.
    Ansonsten ist mir von diesem Wochenende nicht mehr viel in Erinnerung geblieben.

Kapitel 9

    Mein Handrücken ist eine einzige klebrige Masse. Zweimal habe ich Lippenstift aufgetragen, zweimal habe ich ihn abgewischt, als wäre er mit Arsen gewürzt. Ich betrachte mein bleiches Gesicht im harten gelben Schein der Leuchtstoffröhren, mit denen die Bürotoiletten ausgestattet sind: nicht gerade schmeichelhaft. Was an sich nichts ausmacht: Mich hübsch zu machen – mich gewissermaßen lebendiger aussehen zu lassen, damit ich mich in einen Abend einschleichen kann, der einzig und allein Sally vorbehalten sein sollte – fühlt sich so falsch an. Im Moment unternehme ich alles, um aus der Nummer rauszukommen. Ich wühle in meiner Handtasche nach meinem Telefon.
    »Hi.«
    »Wo bist du?«, will Jules wissen. »Du hörst dich an, als wärst du unter Wasser.«
    »Ich wünschte, ich wär’s.« Meine Stimme hebt sich, diese Gereiztheit stellt sich manchmal ein, wenn ich mit meiner großen Schwester spreche. »Warum hast du diesen Blödsinn zu mir gesagt an dem Tag, als wir im Museum waren?«
    »Weil ich manchmal wirklich ein großes Mundwerk habe.« Sie lacht mich nicht aus, sondern geht sanft mit mir um. Ich spüre, dass mein Herzschlag sich beruhigt und meine Angst ein wenig verebbt.
    »Ja, das hast du. Jetzt bin ich völlig paranoid. Was ist, wenn

Weitere Kostenlose Bücher