Seit jenem Tag
Tee später, zu dem es ein altbackenes Ingwerplätzchen gibt, mache ich mich bereit für den letzten Anlauf. Ich finde es schon sehr verwunderlich, dass nicht mehr als ein altbackenes Ingwerplätzchen vorrätig ist, und frage mich, warum seine Eltern nicht versucht haben, ihm seine entsetzliche Aufgabe ein wenig angenehmer zu gestalten, aber vielleicht deute ich in diesen blöden Keks auch zu viel hinein.
»Sollen wir?«, frage ich zögernd und schlucke gleichzeitig die aufsteigende Beklemmung hinunter. Ich habe beschlossen, mit meiner Enthüllung zu warten, bis wir wieder dort hinten sind und ich ihm den Mantel zeigen kann, in dessen Tasche ich den Chip gefunden habe. Er reagiert nicht, sein Blick ist leer. Vielleicht hat er auf Anhieb eine Antwort parat – eine Einrichtung, die sie genutzt haben, als sie in die USA zogen, ein Familienversteck für überschüssige Möbel – und ich mache ganz umsonst ein Theater darum. Doch ein sechster Sinn flüstert mir zu, dass mehr dahintersteckt. Und wenn dem so ist – wie kann ich ihn dann hier alleinlassen, umgeben von der Asche eines Lebens, um das zu trauern er erst noch lernen muss? Sein Kopf wendet sich mir abrupt zu.
»Nein«, sagt er, »du hast genug getan. Wenn wir jetzt aufbrechen, bekommst du spielend den Zug, und ich mache dann weiter, bis alles erledigt ist.«
Ich bin erleichtert – zu wissen, dass ich nicht in dieses improvisierte Mausoleum zurück muss, um mir dort wie ein Dieb meinen Weg durch Sallys Leben zu bahnen –, aber zugleich bin ich auch ein wenig verletzt. Ich würde so gern ein wenig seiner Last schultern und seine Isolation durchbrechen. Da durchzuckt mich ein schrecklicher Gedanke – will ich das wirklich seinetwegen, oder möchte etwas Verschlagenes, Niederträchtiges das für mich selbst?
Während er damit beschäftigt ist, meinen Mantel zu holen, ziehe ich den Chip heraus und halte ihn in meiner Hand, bereit, ihn zu übergeben. Er hält den Mantel für mich, und ich schlüpfe hinein und genieße diese altmodische Höflichkeit. Nachdem ich mich erfolgreich eingewickelt habe, wende ich mich ihm zu, um die Worte loszuwerden, die ich bisher zurückgehalten habe, doch sein Telefon klingelt, bevor ich dazu komme.
»Hallo, mein Liebling«, sagt er und signalisiert mir mit der ihm eigenen natürlichen Autorität, ihm nach draußen zu folgen.
Es ist Madelines Schlafenszeit, und ich höre, wie er sie zu ihrem Tag mit ihren Cousins befragt. »Verstehe«, sagt er mehrmals und klingt dabei fast so, als befände er sich in einer Konferenzschaltung, bevor er zum Ende kommt. »Ich muss jetzt leider Schluss machen. Ich bringe Olivia zum Bahnhof.«
Ich winke ab, denn wir haben keine Eile, aber nach einem »Gutenacht« legt er auf. Es tut weh, sie sich in ihrem weißen Nachthemd vorzustellen, die Hände um den Hörer geklammert, und ich kann nur hoffen, dass sie sich nicht verlassen fühlt, als hätte ich ihn ihr weggenommen.
»Gut«, sagt er und sperrt die Tür der Beifahrerseite auf – der Wagen stammt aus einer Zeit lange vor der Zentralverriegelung. Er dreht den Schlüssel im Zündschloss, was dem Motor ein leises Grummeln entlockt, bevor er stotternd schweigt. Er versucht es dreimal, jedes Mal mit weniger Erfolg.
»Mist«, sagt er und haut mit beiden Händen aufs Lenkrad. »Tut mir schrecklich leid.«
»Ist schon okay, ist ja nicht dein Fehler«, beruhige ich ihn. Und plötzlich ist es okay, plötzlich finde ich es viel zu früh, um aufzubrechen und ihn der frostigen Umklammerung dieses großen düsteren Hauses zu überlassen.
»Ich fürchte doch.« Sein Ton ist ernst, sein innerer Schuldirektor hat das Heft in die Hand genommen. »Wir können nur hoffen, dass Belinda eine Pannenversicherung hat«, sagt er und steuert das Haus an. Belinda ist wie vom Erdboden verschluckt – sowohl ihr Handy als auch ihr stationäres Telefon verweigern eine Antwort –, und William macht sich auf die Suche nach einer Taxinummer. Er sieht mich gequält an.
»An einem Samstagabend eins zu bekommen ist ein absoluter Albtraum, und bis nach Poole sind es gute fünfzig Kilometer. Ich fühle mich hundeelend. Habe ich deine Pläne durchkreuzt?«
Es gießt inzwischen wie aus Kübeln, und der Wind peitscht die Bäume. Es ist ganz entschieden kein Abend, an dem man auf dem Rücksitz eines Mähdreschers quietschend um Haarnadelkurven fahren möchte, im stillen Gebet, den letzten Zug noch zu erwischen. Und ich habe keine Pläne.
»William …«
»Hm?«, sagt er,
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