Seitenwechsel
unwiderruflich etwas mit meinem Chef hatte. Damit legte sie mal wieder treffsicher den Finger in die Wunde. Hannes und ich hatten unser »Ding« noch immer nicht näher definiert. Und eigentlich bestand es auch nur aus zwei weiteren Nächten, die ich bisher bei ihm verbracht hatte, und einer Reihe doppeldeutiger Bemerkungen bei der Arbeit.
»Na, was schon«, erklärte ich betont lässig. »Ein Verhältnis, eine Affäre, einen seriellen One-Night-Stand. Was total Unkompliziertes eben.«
»Affären sind nie unkompliziert«, brachte Tina es trocken auf den Punkt und schenkte uns noch etwas von dem Raki ein, den sie mitgebracht hatte. Ich verdrehte genervt die Augen und leerte das Glas in einem Zug, um nicht antworten zu müssen.
»Na ja, wenigstens musst du deine wertvolle Freizeit jetzt nicht mehr damit vergeuden, durch die Kneipen zu ziehen, um einen Kerl für zwischendurch zu finden. Du nimmst einfach deinen Chef.«
»Er ist nicht für zwischendurch!«, unterbrach ich sie barsch, aber das war genau das, was sie hören wollte. Sie sah mich siegessicher an und fragte: »Und wofür ist er dann?«
»Mann, du hast es echt drauf, einem die Laune zu verderben.«
»Sorry, Schätzchen, aber ich denke einfach, du hättest dir mehr Zeit lassen sollen, um Tim zu verdauen.«
»Ich habe Tim verdaut«, log ich und schüttete noch einen Raki in mich hinein.
»Das ist gut«, erklärte Tina. »Dann kannst du mir nämlich bei meiner Scheidung helfen.«
Sie hatte wirklich den idealen Zeitpunkt abgewartet. Als alles andere abgefrühstückt war und nichts mehr, aber auch gar nichts mehr von ihrer Neuigkeit ablenken konnte, ließ sie die Bombe platzen.
»Du und Aygün wollt euch trennen?«, hustete ich entgeistert, weil der türkische Schnaps in meinem Hals brannte.
»Scheiden lassen, Schätzchen, nicht trennen.«
»O Gott, Tina, das tut mir so leid.« Es stimmte also. Unsere Schicksale waren miteinander verbunden. Kaum ging es mir besser, war in ihrer Beziehung der Wurm drin. Ich legte meinen Arm mitleidig um ihre Schultern und füllte mit der anderen Hand ihr Glas bis zum Rand voll. »Hier. Trink das. Ich meine, ich habe ja jetzt etwas Erfahrung im Trennen, also wenn ich dir irgendwie helfen kann …?«
Offensichtlich hatte Tina selbst noch nicht ganz begriffen, was eine Scheidung bedeutete. Sie lächelte mich auf jeden Fall glücklich an und sagte: »Ja, du kannst meine Trauzeugin sein.«
»Ähm … ich glaube, die braucht man bei einer Scheidung nicht«, erklärte ich so behutsam wie möglich. Ich war noch nie gut im Überbringen von schlechten Nachrichten gewesen.
»Nein, aber für unsere Hochzeit danach.«
»Danach … Die Hochzeit nach der Scheidung. Klar. Mit wem?« Ich verstand nur noch Bahnhof, aber genau darauf hatte Tina es angelegt. Denn eine Neuigkeit war schließlich nur gut, solange man sie nicht vorausahnen konnte.
»Mit Aygün natürlich. Wir wollen endlich richtig heiraten. Aus Liebe und allem Drum und Dran.«
Ich legte ihr prüfend meine Hand auf die Stirn.
»Weißt du was? Es war vermutlich sehr heiß da unten. Du bist diese Temperaturen nicht gewöhnt. Du solltest dich jetzt erst mal hinlegen, Tina, und dann reden wir morgen darüber.«
Tina schob lachend meine Hand weg. »Ich meine es ernst, Karina.«
»Das hatte ich befürchtet. Aber wieso? Ihr habt euch damals doch auch schon geliebt.«
»Ja, aber da saß uns das Ausländeramt im Nacken. Außerdem will Aygüns Familie dieses Mal dabei sein, und die ist ziemlich groß, deswegen habe ich eigentlich keine Wahl.«
Ich schüttelte entgeistert den Kopf. Von wegen unzertrennbar miteinander verbundenes Schicksal. Nicht nur, dass Tinas Leben in allen Bereichen perfekt war. Selbst eine Trennung war bei ihr pures Glück. Keine Tränen, kein Abschiedsschmerz, keine Gefühlsachterbahn. Scheidung aus Liebe. Das war verdammt nochmal unfair. Warum konnte mein Leben nicht einmal so rosarot verlaufen?
»Also, machst du mit?«, riss Tina mich aus meinen Gedanken. Hatte ich eine andere Wahl? Wohl kaum, da Tina sich selten von ihren Ideen abbringen ließ, auch wenn ich diese von ihren ganzen verrückten Ideen nun wirklich für die blödsinnigste hielt. Aber gut, ich war die Letzte, die ihrem Liebesglück im Wege stehen wollte, also sagte ich ganz selbstlos zu: »Natürlich mache ich mit. Aber nur, wenn du dann aufhörst, mir Hannes auszureden.« Ich warf ihr einen herausfordernden Blick zu. Ich war lange genug ihre Freundin, um zu wissen, wie man sie
Weitere Kostenlose Bücher