Seitenwechsel
gut, dass du mir die Wahrheit gesagt hast.«
»Und du gibst mir trotzdem nicht frei? Ich meine, nicht als Vorgesetzter, sondern als verständnisvolle Privatperson?«
Zu irgendetwas musste es doch gut sein, dass ich mir meinen Chef geangelt hatte.
»Tja, die ist dafür leider nicht zuständig. Die verständnisvolle Privatperson würde dir zwar gerne ihre Hilfe anbieten, in Form von leerstehenden Räumen in ihrem Südflügel, die sie sowieso untervermieten wollte. Aber das geht leider auch nicht.«
»Warum nicht?«, fragte ich irritiert, nachdem ich schon kurzfristig Licht am Ende des Tunnels erblickt hatte .
»Weil wir uns auf eine unvernünftige Affäre geeinigt haben.« Er sagte es, ohne anklagend zu klingen. Oder zynisch. Es war mehr eine Feststellung, als eine Erpressung.
»Ja, du hast recht.« Natürlich hatte er recht. Ich konnte unmöglich bei ihm einziehen.
»Du kannst nicht bei mir einziehen.«
»Nein. Auf gar keinen Fall.« Es war reizvoll, weil ich damit alle meine Probleme auf einen Schlag gelöst hätte. Aber selbst wenn wir uns nicht auf eine Affäre, sondern Beziehung geeinigt hätten, wäre es zu früh.
»Es wäre zu früh«, stellte Hannes gedankenlesend fest.
»Ja, viel zu früh.«
Nur noch eine Randfigur
»Ich fege nicht den Hof, putze nicht den Flur und streue auch nicht in der Einfahrt, falls es wider Erwarten in Köln schneien sollte.«
»Solche Untermieter sind mir die liebsten!«
»Mein Sohn kann manchmal ziemlich laut werden.«
»Das haben Dreijährige so an sich.«
»Und unordentlich.«
»Dann kriegt die Putzfrau einen Aufschlag.«
Es schien, als hätte Hannes schon auf mich gewartet, als ich hektisch Abends um zwanzig nach acht in sein Büro geschneit kam, um mir den Schlüssel zu seiner Wohnung abzuholen, während der vollbepackte Lieferwagen draußen mindestens zehn Autos zuparkte.
Auf dem Weg zur Tür drehte ich mich noch einmal zu Hannes um, der schon wieder in seinen Bildschirm vertieft war.
»Es ist nur vorübergehend«, versicherte ich ihm.
»Ja, natürlich.«
Aber vermutlich ahnten wir beide, dass es mehr als eine Übergangslösung war. Heute Abend war es auf jeden Fall die einzige Lösung. Denn von den ohnehin schon spärlichen Optionen, die ich heute Morgen noch hatte, musste ich eine nach der anderen von meiner Liste streichen. Als Erstes fielen die wenigen Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, die ich mir aus dem Kopienstapel rausgesucht hatte, meinem Anspruch oder Geldbeutel zum Opfer. Eine erschien mir kleiner und teurer als die andere. Und die Einzige, die mir gefiel, war bereits unter der Hand weggegangen, bevor ich sie mir unter der Hand schnappen konnte.
Dann hatte ich Ecki in seinem stets leeren Kiosk einen Besuch abgestattet. Er bestritt seinen Unterhalt auch noch mit den Mieteinnahmen einer Reihe von bezahlbaren Wohnungen im Haus gegenüber. Das wäre zwar ein Rückschritt mit bitterem Beigeschmack gewesen, denn in eben zwei dieser Wohnungen hatten Tim und ich uns vor Jahren als Nachbarn kennengelernt. Aber diese unwahrscheinliche Möglichkeit, schnell und unkompliziert an eine Unterkunft zu kommen, zerschlug sich ohnehin, als Ecki mir entgegenbrummte: »Verkauft!«
»Alle?«
»Das ganze Haus.«
Allmählich machte ich mir Sorgen um Ecki. Nicht nur, dass er seinen Kiosk immer schon um acht zumachte. Jetzt hatte er sogar seine private Altersvorsorge vorzeitig abgeschafft.
»Aber ist das nicht etwas unvernünftig, in Ihrem Alter auf ein regelmäßiges Einkommen zu verzichten?«
»Besser jetzt, als alles immer auf den letzten Drücker zu erledigen.«
Ich kannte ihn schon lange genug, um den versteckten Vorwurf geflissentlich zu übergehen. Stattdessen tat Ecki mir sogar leid. Immerhin hatte ich mich jahrelang wunderbar mit ihm streiten können, und nun wirkte er plötzlich richtig alt und abwesend. Es erforderte schließlich nicht viel Phantasie, um zu wissen, was er mit letztem Drücker meinte. Ganz offensichtlich bereitete er sich langsam auf seinen endgültigen Abgang vor.
»Ähm, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«, stotterte ich etwas unbeholfen, weil mir das Thema unangenehm war. Aber soweit ich wusste, hatte Ecki entweder keine Verwandten oder keinen Kontakt mehr zu ihnen. Ecki schaute überrascht von seiner Zeitung auf.
»Sie?! Auf gar keinen Fall.« Wenigstens hatte er für kurze Zeit seine alte Bissigkeit zurückerlangt. »Was ist? Müssen Sie nicht weiter? Sind Sie nicht auf Wohnungssuche? Oder bin ich wieder mal Ihre letzte
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