SEK – ein Insiderbericht
anschauen und überlegen, was dies wohl bedeuten könnte, meldet sich die Stimme von meinem Kollegen Heiner über Funk, der ja die dort positionierten Notangriffskräfte führt: »Hier Heiner. Wir haben die neun Personen hier bei uns, es handelt sich vermutlich um freigelassene Geiseln. Wir durchsuchen sie gerade noch, wo sollen wir mit den Leuten hin?«
Natürlich muss Heiner die freigelassenen Geiseln zunächst durchsuchen, um die Gefahr auszuschließen, dass sich möglicherweise der Täter oder ein Tatbeteiligter auf diese Weise vom Tatort entfernt.
Andreas weist zwei Kollegen der Befehlsstelle an, die Leute abzuholen und in einen für diese Zwecke vorbereiteten Klassenraum zu führen. Trotz der möglicherweise für sie traumatischen Erfahrung sind die Freigelassenen wichtige Zeugen. Ihre Angaben zur Situation in der Bank und über den Täter können möglicherweise von entscheidender Bedeutung sein. Daher können sie jetzt auch noch nicht entlassen werden, andererseits bedürfen sie aber unter Umständen medizinischer Betreuung.
Andreas ruft daher dem Funker zu: »Frag nach, ob jemand verletzt ist oder sonst eine medizinische Betreuung benötigt, und gib Bescheid, dass die Leute abgeholt werden.«
Ich winke Andreas kurz zu, zum Zeichen, dass ich mich wieder auf den Weg mache, und beschließe zunächst, zu Heiner zu gehen und mir anzuschauen, wie das Gebäude von der Eingangsseite her aussieht. Als ich bei Heiners Notangriffskräften eintreffe, werde ich von allen grinsend begrüßt, denn es handelt sich ja ausschließlich um Angehörige meines Kommandos.
»Na, Peter«, sagt Ossi, ein Kollege aus Heiners Gruppe, grinsend zu mir, »hast du heute nix Besseres vorgehabt?«
Und Anton, ein Kollege aus meiner Gruppe, der heute Rufbereitschaft hatte und daher schon mit Heiner hier eingetroffen war, ergänzt sachkundig: »Nee, der Peter, der fährt so gern Auto …«
Für Außenstehende immer wieder überraschend, wie unerschütterlich diese Männer und ihr Humor doch sind. Von einem auf den anderen Moment kann die Lage im Inneren der Bank eskalieren, und sie müssen dann in diese höchst gefährliche Situation mit hohem persönlichem Risiko eingreifen. Und trotzdem machen sie Witze und albern rum, als handele es sich um einen Betriebsausflug …
»Ja, ja, schon klar«, entgegne ich lachend, während ich in grinsende Gesichter blicke, die ich aber durch den Helm und die Sturmhaube nur erkenne, weil ich die Kollegen gut kenne.
Ich wende mich an Heiner, einen für SEK-Verhältnisse eher kleinen Kollegen, der aber zäh und überaus ehrgeizig ist und darüber hinaus im Einsatz ausgesprochen cool und gelassen reagiert. Heiner und ich haben unsere SEK-Grundausbildung gemeinsam durchlaufen und kennen uns daher sehr gut. Ich erläutere ihm meinen Auftrag und kläre ihn über die Verbindungstür im Anwaltsbüro auf, die uns eventuell einen Zugang ermöglicht.
Er nickt bestätigend und reagiert mit einer möglicherweise interessanten Feststellung: »Schau dir mal den Vorbau dort an.« Dabei deutet er mit seiner Hand auf eine Art Flach- oder Vordach, das sich genau über den Räumen der Bankfiliale erstreckt. Ich schaue in die Richtung, in die er zeigt, und kann gerade noch den oberen Teil einer weißen Plastikkuppel erkennen.
»Du meinst das weiße Plastikteil, da? Sieht aus wie ein Oberlicht, nicht wahr?«
Heiner grinst mich nun auch vielsagend an, zumindest vermute ich das, denn auch sein Gesicht wird zum größten Teil durch Helm und Sturmhaube verdeckt.
Wir denken natürlich beide das Gleiche. Wo es ein Oberlicht gibt, dort gibt es möglicherweise auch eine Einstiegsmöglichkeit. Sofern sich dieses Oberlicht von außen ohne weiteres öffnen ließe, käme man von dort aus unmittelbar in den Kassenraum. Um das herauszufinden, muss ich natürlich unerkannt auf das Vordach hinauf, was bei der großflächigen Verglasung der Bankfiliale nicht ganz so einfach sein dürfte.
Ich melde Heiners Beobachtung an die Befehlsstelle und erhalte den Auftrag, das Vordach zu überprüfen, allerdings nur dann, wenn ich garantieren könne, dass der Täter im Inneren dies nicht bemerken wird. Ich habe aber mittlerweile schon festgestellt, dass an der einen Seite der Bankfiliale die Fensterfront an einem Mauervorsprung endet, der es mir ermöglichen wird, außerhalb des Sichtbereichs des Täters auf das Dach hinaufzuklettern. Hierzu benötige ich eine Leiter, die ich mir an unserem großen Gerätewagen besorge. Bei diesem Fahrzeug
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