Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
voraus.«
Oscar betrachtet ihn argwöhnisch. »Danke«, sagt er. »Und danke, dass Sie eingesprungen sind. Wir waren verzweifelt.«
Touché. Sie starren einander an, besinnen sich aber doch eines Besseren. Ich entdecke ein süffisantes Grinsen auf Oscars Gesicht, als er sich abwendet, und ich könnte fast schwören, den Grund dafür zu kennen. Er weiß, dass er sexy ist, das ist Teil seines Umgangs mit der Welt, wohingegen Dom … Dom ist Dom. Er ist ein zufällig zusammengewürfelter Haufen, der in der Summe eine unerwartete Kombination ergibt. Aber wenn Oscar ihn lieber abtun möchte, ist dies bestimmt das beste Ergebnis.
Kaum ist Oscar verschwunden, taucht Marsha auf der Bühne auf. Ihr Blick wandert verblüfft zwischen Dom und mir hin und her. Dass es Marsha die Sprache verschlägt, kommt selten vor, aber dieser Moment ist nun offiziell da.
»Es ist kompliziert«, sagt Dom, woraufhin sich mein Magen ein klein wenig verkrampft. Ist es für ihn kompliziert? Und ist der Teil von mir, der dies hofft, reines Ego oder gleichermaßen kompliziert? »Amber kann es dir erklären. Soll ich dir deinen Mantel abnehmen?«
»Wir haben uns lang nicht gesehen«, sagt Marsha kühl. »Ja bitte.« Sie beäugt ihn argwöhnisch und zieht ihren Mantel fester um ihren Körper. Sie schenkt ihm nichts. Ich gehe zu ihr, umarme sie und versuche das Eis zu brechen.
»Wir sind so unglaublich erwachsen, dass Dom in der Woche unserer Scheidung bei uns in die Bresche gesprungen ist. Hätten ihn nicht Gewissensbisse geplagt, wärst du doch noch in einem Jugendheim gelandet.« Ich werfe ihm ein halbherziges Lächeln zu und bin mir sehr wohl bewusst, dass ich ganz schön gerissen bin. Ich muss mich am Riemen reißen und ganz professionell agieren – doch leider ist es mir fast unmöglich, mich derart abzuriegeln. Marsha schält sich langsam aus ihrem Mantel und bleibt misstrauisch. Vielleicht zögert sie aber auch nur, das senffarbene Abschlussballkleid zu enthüllen, das sie trägt, komplett mit hüftbetonenden gestuften Rüschen und Peter-Pan-Kragen. Ganz ehrlich, sie sieht aus, als hätte sie den Kleiderschrank unserer früheren Politikerin und begeisterten Tänzerin Ann Widdecombe geplündert.
»Du siehst reizend aus«, sagt Dom, was sicherlich als kleine Notlüge durchgeht. »Amber ist heute Abend Oscars Sklavin.« Dabei sehe ich ihn scharf an, aber er schaut gar nicht in meine Richtung. »Also werde ich dich nach oben bringen und dafür sorgen, dass du alles hast.«
»Ich komme für fünf Minuten mit«, sage ich, wohl wissend, dass ich damit gegen mein Oscar gegebenes Versprechen verstoße. Aber fünf Minuten werden doch erlaubt sein? Wir marschieren hoch und werden von Tomaszs fröhlicher Bande begrüßt. Nun ja, fast fröhlicher Bande. Es sind nur zwei davon da, aber sie versichern uns, dass die anderen beiden im Laufe der nächsten Stunde von ihren Tagesjobs herkommen werden.
»Fantastisch«, sagt Dom voller Zuversicht, und Marshas nervöser Ausdruck glättet sich. Ganz glatt wird er, als Peter kommt, der meine Hand genau in dem Moment schüttelt, als ich ihm einen Kuss geben möchte. Dom erteilt dem Personal Anweisungen, sorgt dafür, dass die Beleuchtung stimmt, und verbreitet Ruhe und Ordnung.
»Ich muss gehen«, flüstere ich. »Was meinst du, werden sie klarkommen?«
»Sie sind wie füreinander geschaffen.«
»Doch nicht sie! Die Kellner.«
»Wenn sie zu viert sind, wird es klappen.«
»Aber was ist, wenn …«
»Eins nach dem anderen«, sagt Dom. »Du gehst jetzt, du hast für kulinarische Größe zu sorgen.«
»Größe ist vielleicht etwas zu viel gesagt.«
»Wie du meinst. Du hast für kulinarische Mittelmäßigkeit zu sorgen.«
Ich muss gegen meinen Willen lachen und bin dankbar, mal einen Moment nicht das Gefühl zu haben, dass es um Leben oder Tod geht. Ich will gerade aufbrechen, da taucht Marshas ältere Schwester auf, erhitzt und durcheinander. Wer kann es ihr verdenken: Sie trägt ein winziges, sich windendes Baby im Arm, das gerade erst ihr schwarzes Samtkleid mit Erbrochenem verziert hat.
»Es tut mir so leid«, sagt sie und versucht gleichzeitig, Marsha, das Baby und eine riesige Tragetasche an sich zu drücken. »Mein Au-pair-Mädchen ist krank, aber ich wollte doch wenigstens herkommen, um mit dir anzustoßen. Geht das in Ordnung mit dem Baby?«, fragt sie mich in dem Moment, als das Baby lauthals zu schreien anfängt.
»Das geht schon in Ordnung«, sage ich und versuche mir meine Beunruhigung nicht
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