Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
noch zu wund ist, um es einander wirklich zu zeigen.«
»Ich halte überhaupt nichts zurück. Was du siehst, das bekommst du auch. Ich dachte, das wüsstest du.«
»Aber du schließt dich ständig aus!«
»Nein, das tue ich nicht! Ich muss arbeiten wie ein Pferd, um das hier zu schaffen« – dabei streckt er seine Hände in den Raum, in seine Domäne –, »ich habe dir reinen Wein eingeschenkt, was mich betrifft, ich habe dich niemals angelogen. Ich habe mich nicht verändert, Amber.«
Ich weiß nicht, wie ich ihm verständlich machen soll, was wahre Intimität bedeutet, welche Worte ich benötige, um mit ihm zu kommunizieren. Ich weiß, dass sie uns fehlt, aber ich weiß nicht, ob er sie je erfahren hat. Vielleicht ist das tatsächlich der Preis, den man für diesen verbissenen Ehrgeiz zahlt, der eine Karriere anfeuert, die so heftig und hell lodert wie seine.
»Hast du dir je Gedanken darüber gemacht, was dich das alles kostet?«
Eine Sekunde lang ist sie wieder da, diese Traurigkeit, doch dann beißt er seine Zähne aufeinander wie einen Schraubstock.
»Ach, erspar mir diese Pseudopsychologie, Fischmädchen! Erspar sie mir! Hör auf mit diesen pathetischen Ausreden. Wenn du deinen Ehemann noch immer liebst, dann sag es einfach.«
O Gott, ist es wirklich so einfach? Wie unsagbar traurig.
»Ich liebe meinen Mann noch immer«, flüstere ich, und eine einsame Träne rollt mir über die Wange. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich gehe. Denn ich weiß, selbst wenn mein Entschluss hinsichtlich Dom unausweichlich feststünde, wenn ich mit Rachel zur Mani- und Pediküre ginge und ihr helfen würde, den richtigen nuttigen Rotton zu finden, wäre es nicht richtig. Es wäre vielleicht das Richtige für die Person, die durch die Türen dieses Restaurants kam, die Oscar bewundert und vergöttert hat, aber dieses Mädchen bin ich nicht mehr. Ich würde diesem Mädchen am liebsten eine Ohrfeige geben und rufen: »Reiß dich zusammen!«
»Dann verschwinde verdammt noch mal aus meinem Restaurant«, schreit Oscar mit rotem Gesicht. »Und wag es ja nicht, jemals wieder zurückzukommen.«
Das braucht er mir nicht zweimal zu sagen. Ich stürme aus seinem Büro und durchs Restaurant und verweile dort für einen letzten Blick. Es ist wunderschön, eine unglaubliche Bühne für Oscars Kreationen. Ich wünschte, ich hätte länger an ihnen mitwirken können. Dann bin ich in der Küche. Ich kann nicht einfach verschwinden: Ich hole mir Michelle und Tomasz und erzähle ihnen, was passiert ist.
»Mist!«, sagt Michelle. »Ich möchte wirklich nicht, dass Sie gehen. Er ist so ein verdammtes …«
»Ist er nicht, Michelle, ist er wirklich nicht«, falle ich ihr ins Wort. Ich hätte mich gern anders verabschiedet, glaube aber eher nicht, dass es eine andere Art des Abschieds von Oscar gibt. »Er ist brillant. Wenn ihr ihm zeigt, dass ihr loyal seid, wird er sich um euch kümmern.«
»Ich glaube das nicht«, sagt Tomasz und wirkt wirklich untröstlich. »Wenn Sie irgendwo anders hingehen, werde ich immer Ihre Zwiebeln hacken.«
»Ihr beide habt mir sehr geholfen«, sage ich und ziehe sie in einer Gruppenumarmung wie auf einer Technoparty an mich. »Ohne euch hätte ich das nicht geschafft.« Wieder Tränen. Ich ziehe mich zurück und gehe ein letztes Mal in die Umkleide.
Als ich wieder herauskomme, um mich leise hinauszuschleichen, bricht Jubel aus. »For she’s a jolly good fellow …« singen sie, jeder Einzelne von ihnen, sogar Joe. Aber natürlich fällt es ihm jetzt, da er meinen Job bekommt, leicht mitzusingen, aber dennoch … Ich werfe ihnen Luftküsse zu und verabschiede mich zum letzten Mal.
Manchmal bin ich wirklich überglücklich, dass Milly keiner richtigen Arbeit nachgeht.
»Ich hätte es einfach nicht so bald schon versuchen dürfen«, sage ich und grabe meine Nägel in meine Handfläche.
»Das konntest du schließlich nicht wissen! Außerdem hätte er es vielleicht nicht so bald versuchen sollen.«
Plötzlich trifft mich die Realität dessen, was ich getan habe, wie ein Schlag. Unfassbar, dass es so schnell zu Ende sein konnte. Der Gedanke, ihn nie wiederzusehen, ist mehr als seltsam. Mir liegt an ihm, vielleicht mehr, als ihm bewusst ist, aber ich darf nicht nach den Sternen greifen, wohl wissend, dass ich diese Entfernung nicht überwinden kann, weil ein Teil meines Herzens noch woanders festsitzt. Ich muss an seine Reaktion auf Lydias Abgang denken: Sosehr er es auch zu unterdrücken versuchte, ich
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