Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
einen weiteren wütenden Blick zu, aber er lacht mich nur an.
»Nun freu dich doch, dich erwartet ein wunderbarer Abend.«
»Ich weiß.«
»Bist du schon mal hier gewesen?«, fragt er und packt dabei meine Hand. Noch nie hat er meine Hand gehalten, allerdings waren wir ja auch noch nie richtig aus. Ich erwäge kurz, sie ihm zu entziehen, aber sie fühlt sich so angenehm an.
»Nein, ich war noch nicht hier«, erwidere ich und lasse das opulente Ambiente auf mich wirken. Ich erzähle ihm nicht, dass die einzige Oper, die ich je gesehen habe, The Mikado mit den Macclesfield Players war. Außerdem weiß ich nicht, ob das zählt. Wir befinden uns jetzt im Zuschauerraum, wo die Lichter bereits gedimmt sind. Der Platzanweiser wirft uns einen vorwurfsvollen Blick zu, ehe er uns unsere Plätze zeigt. Natürlich befinden sie sich mittendrin. Wir zwängen uns durch die Reihe, wobei ich mich fieberhaft bei der verärgerten Kulturschickeria entschuldige, der wir Umstände bereiten.
Als wir Platz genommen haben, rechne ich damit, dass er meine Hand loslässt, doch er hält sie fest. Stattdessen schiebt er seine Finger zwischen meine und drückt sie, als der rote Plüschvorhang vor der Bühne hochgezogen wird. Dann setzt die Musik ein. Ich muss schon sagen, die Macclesfield Players können noch viel lernen. Der betörende Gesang wird begleitet von einem Orchester, das sämtliche Tiefen und Höhen auslotet. Das Mädchen in der Rolle der armen, Not leidenden Mimi spielt absolut überzeugend und zieht mich in den Bann ihrer zum Scheitern verurteilten Liebe zu Rodolfo, und dies, obwohl ich kein Wort Italienisch verstehe. Ich bin so hingerissen, dass ich mich frage, warum ich mir eine derart fantastische Erfahrung in den ersten einunddreißig Jahren meines Lebens vorenthalten habe. Aber dann fällt mein Blick auf die Eintrittskarte, die Oscar mir in die Hand gedrückt hat, und ich begreife warum: £ 190!
In der Pause drücke ich mich an ihn und sage: »Danke«, worauf er mit einem reizenden Lächeln antwortet.
»Gar nicht so schlecht, oder?«, sagt er und zieht mich von meinem Platz.
An der Bar drängeln sich die Gutbetuchten, und ich rechne eigentlich nicht damit, dass wir was zu trinken bekommen, aber irgendwie schafft Oscar es, von ganz hinten die Aufmerksamkeit des Mädchens an der Theke auf sich zu ziehen. Er lässt nicht zu, dass ich selbst zahle, und als der Wein meine Kehle kitzelt, ist mir klar, dass es sich hierbei nicht um den Hausfusel handelt. Eigentlich sollte man diese reizende Atmosphäre nicht trüben, doch ich darf mich ihr nicht ausliefern, ehe ich die Wahrheit kenne. Sie muss wahrhaftig sein.
»Danke. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber das ist so wunderbar. Es ist … es ist so viel besser als jede Oper, die ich bisher gesehen habe.« Bitte frag nicht, welche, bitte frag nicht.
»Es ist mir eine Freude.«
Wir sehen einander an, dann gehe ich aufs Ganze.
»Oscar, ich muss mit dir über eine blöde Sache reden, die in der Times gestanden hat.« Seine Mimik lässt keinen Zweifel daran, dass er den Artikel gelesen hat. Mir wird schwer ums Herz. Wenn er mich nicht sofort vom Gegenteil überzeugt, muss es wahr sein. »Ich muss ständig daran denken. Ich weiß … ich bin nicht deine Freundin oder sonst was …« Mein Gott, wie kann man das nur so verhackstücken? Ich sehe, dass ihm jeder Tropfen Gutmütigkeit schwindet. »Aber wenn du, ich weiß nicht, was in der Art bist, dann habe ich ein Recht, das zu erfahren.«
»Welcher Art?«, will er wissen, und seine Stimme ist gefährlich tief.
»Ein … ein Weiberheld.« Milly und ihre dummen Ausdrücke.
»Was verdammt soll ein Weiberheld sein? Oh, sag nichts dazu. Ich kann es einfach nicht glauben, dass du den Nerv hast, mich das zu fragen, nachdem ich dich hierhergebracht habe.«
»Ich will es doch nicht glauben, aber dort steht es schwarz auf weiß. Ich kenne dich nicht genug, ich …« Ich würde ihm gern sagen, wie erschüttert ich bin, weitaus mehr als ein linkischer Teenager, wie er selbst einen hat, aber das würde zu pathetisch klingen.
»Ich habe dir doch von Angus erzählt und wie er ist. Das ist auch nur wieder ein Seitenhieb, mit dem er mich treffen will. Ich fass es nicht, dass du so etwas überhaupt zum Thema machst.«
»Natürlich mache ich es zum Thema! Hättest du mir gesagt, das ist alles Mist, anstatt mich schmoren zu lassen, dann wäre das nicht nötig gewesen.«
»Ich will darüber nicht mit dir reden! Ich hätte auch nie gedacht, dass
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