Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
diesmal mir die Schuld geben muss.«
»Warum bist du so hart zu dir, Süße?« Eine gute Frage. Hart zu mir, hart zu allem, was mit mir zu tun hat. »Du müsstest schon aus Holz sein, wenn du Oscar nicht sexy fändest, das habe ich dir prophezeit, bevor du ihn überhaupt kennenlerntest. Du hast eine schöne Zeit mit ihm gehabt, und ja, er könnte ein Weiberheld sein, und wenn er es ist, dann nichts wie weg. Aber vielleicht ist er das auch nicht, es könnte auf dem Mist des bösen Angus gewachsen sein, der sich damit an ihm rächen will. Also mach einfach weiter und warte ab, wie es sich entwickelt.«
»Wenn das so weitergeht, muss ich in meinen Arbeitsklamotten hingehen«, sage ich und halte meine erste Wahl kritisch hoch.
»Sollen wir vielleicht in meinem Schrank nachsehen«, schlägt Milly so geschickt vor, dass ich mich nicht eine Sekunde lang gedemütigt fühle.
»Ginge das?«, frage ich dankbar.
Milly kleidet sich viel mutiger als ich. Entweder praktische Eleganz (wie die Schulstrickjacken) oder verrückt outré , aber ich bin viel zu verängstigt, um die ersten paar Kleider in Erwägung zu ziehen, die sie herausholt. Eins, wovon sie schwört, es bekomme einen völlig neuen Aspekt, wenn man es erst mal anhat, sieht für mich aus wie ein Geschirrtuch, kariert und grob gewebt, und dann noch ein silberner Fummel, von dem ich weiß, dass ich darin aussähe wie Danny La Rue. Erwärmen kann ich mich für ein dezentes graues Etuikleid mit einem goldenen Reißverschluss vorne, einem Reißverschluss, den Oscar mit Sicherheit sofort gern aufreißen würde. Mich schaudert, als ich es überstreife, weil mich allein der Gedanke daran elektrisiert. Was für eine Vergeudung.
»Das sieht göttlich aus an dir, Amber!«
»Ist es auch wirklich okay für dich, wenn ich mir das borge? Ich verspreche dir, keine Spaghettisauce draufzukleckern.«
Sie winkt ab. »Ganz ehrlich, ich weiß nicht mal, wann ich es zuletzt anhatte. Ich habe es bei eBay ersteigert und weiß gar nicht, ob es jemals unter die Leute kam.« Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, so was Umwerfendes zu haben und dazu noch so viele andere Optionen, dass ich es nicht einmal getragen habe. »Nein, es steht dir ausgezeichnet.«
Milly nimmt ein paar Spangen von ihrer Frisierkommode und steckt mein Haar zu einem kunstvoll unordentlichen Knoten auf. Als ich mich genauer betrachte, überrascht mich das Bild, das mich aus dem Spiegel anstarrt. Der Abgrund zwischen dem, was ich innen, und dem, was ich außen bin, war nie so gähnend weit. Ehrlich gesagt macht mir das ein wenig Angst. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bereit für einen Abschluss bin.
»Sehr kokett«, sagt sie. »Er wird in seinen Champagner weinen, wenn du ihm den Laufpass gibst.«
Ich will ihm nicht den Laufpass geben, wirklich nicht, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass er das, was ihm zur Last gelegt wird, nicht auch getan hat. Wenn ein zähes, dämliches Individuum wie Dom schon die Hosen nicht anlassen kann, wie groß stehen dann die Chancen bei einem Mann, der puren Sexappeal verströmt? Es ist Zeit, das herauszufinden. Wir haben sechs Uhr, und in einer halben Stunde bin ich mit Oscar in der Bar verabredet. Also ignoriere ich das Flattern in meinem Bauch und rüste mich für alles, was auf mich zukommt.
Vermutlich hätte ich ohne mich zu verspäten noch einen Mathegrundkurs ohne Vorkenntnisse machen können. Ich stehe ganz einsam und verlassen an der Bar und trinke ein Glas Wasser (für den Weißwein des Hauses wollen sie £ 11) und hoffe, dass mich keiner für eine Edelnutte hält. Oscar scheint sein Telefon abgestellt zu haben, und ich kann wohl kaum im Restaurant anrufen (»Hi, Lydia, ich überlege gerade, warum dein Mann mich versetzt hat?«). Die Kellner werfen mir mitleidige Blicke zu, denn sie halten mich bestimmt für die letzte Trinkerin, die noch aufrecht stehen kann. Erst als die Letzten gegangen sind und der Gong zum letzten Mal ertönt, geruht Oscar zu erscheinen.
»Wo warst du?!«
»Wurde aufgehalten«, sagt er, beugt sich über mich und küsst mich. Ich entziehe mich ihm und schaue ihn wütend an, aber er entschuldigt sich nicht. »Nun komm, sonst verpassen wir den Anfang«, sagt er und fasst mir auf subtile Weise an die Brust, als ich vom Hocker rutsche. Ich hatte mich auf dieses Zeitfenster verlassen, um die Wahrheit aus ihm herauszupressen – und einen theatralischen Abgang zu machen, wenn mir das Gehörte nicht gefiel –, doch die Chance ist jetzt vertan. Ich werfe ihm
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