Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
eine ferne Erinnerung. Lerne ich denn nie dazu? Wie dumm muss man sein, erst einen Womanizer zu heiraten und sich dann direkt in die Arme eines Mannes zu werfen, dem der Name Frauenheld groß ins Gesicht geschrieben steht?
»Also gut«, sage ich und bemühe mich, cool, ruhig und gefasst zu klingen. Ich will nicht mein ganzes Leben lang die jüngere Schwester sein, der ständig was zustößt: Aufgeschlagene Knie sind eine Sache, ein gebrochenes Herz eine andere. »Danke, dass du es mir gesagt hast. Ich werde ihn mir vorknöpfen.«
»Versuch bloß nicht, dir das jetzt kleinzureden. Du musst ihm den Laufpass geben. Ich wusste doch, dass er was Verschlagenes hatte … Aufgeblasener Mistkerl.«
»In Ordnung«, blaffe ich. »Es gibt aber noch jede Menge Hintergrundgeschichte, die du nicht kennst.«
Vielleicht ist dies nichts weiter als das letzte Feuergefecht eines verbitterten und rachsüchtigen Größenwahnsinnigen.
»Für mich hört sich das eher danach an, als gäbe es noch jede Menge Hintergrundgeschichte, die du nicht kennst.«
»Wie ich damit umgehe, musst du schon mir überlassen.«
»Ja, aber ich sage dir, du musst das beenden, Amber. Gleich jetzt.«
»Ich laufe doch auch nicht herum und sage dir, wie du deine Beziehung führen sollst!«
»Tja, welch ein Schock, ich bin verheiratet und habe ein Kind.«
»Gratuliere«, sage ich mit brechender Stimme.
»Ich habe es nicht so gemeint. Es sei dir ja vergönnt, aber er ist ein absoluter Mistkerl. Und ich möchte nicht, dass du noch ein zweites Mal zu kurz kommst.«
»Danke, dass du’s mir gesagt hast. Ich muss jetzt los. Wirklich, Ralph, danke.«
»Amber …«, versucht er es noch mal, aber ich habe schon fast aufgelegt.
Für den Rest des Nachmittags erledige ich alles mechanisch. Spontan wäre ich am liebsten gleich in Oscars Büro gestürmt, um von ihm die Wahrheit einzufordern, doch Lydias Anwesenheit hindert mich daran. Dank der Zeit, die ich zum Nachdenken hatte, verwandelte meine Wut sich in etwas Tieferes, Traurigeres. Er hat kein Versprechen gebrochen, sondern schlicht nur die unumstößliche Wahrheit über Köche auf der ganzen Welt bestätigt. Ich bin enttäuscht, zutiefst enttäuscht und mir bewusst, dass ich, sosehr ich mich auch bemüht habe, mich als pistolenschwingende Sexrebellin zu gebärden, unterm Strich versagt habe, weil ich bei dieser Gleichung mein Herz nicht heraushalten konnte.
Als meine Schicht zu Ende ist, ist von Oscar noch immer nichts zu sehen. Anstatt ihn aber zu versetzen, zur Rede zu stellen oder alles abzublasen, werde ich weitermachen wie geplant. Ich werde mir das beste Kleid aus meiner leicht zigeunerhaften Garderobe aussuchen, einen majestätischen Auftritt hinlegen und ihm sagen, dass dies unser letztes Rendezvous ist, und dabei so umwerfend und theatralisch sein wie Joan Crawford bei der Entgegennahme eines Oscars.
Trotz meines kämpferischen Geschwätzes trotte ich nach Hause und komme mir richtig blöd vor. Da ich jetzt akzeptieren muss, dass Oscar höchstwahrscheinlich ein totaler Reinfall war, quält es mich umso mehr, wenn ich mir Doms prickelndes neues Leben ausmale. Und wenn er nun bereits in die Lasterhöhle eingezogen ist, nur dass diese jetzt aus neutralen Stoffen und Norah Jones besteht und ein gemütliches Nest ist? Vielleicht bringen sie ihre Sonntage damit zu, durch den Discounterladen zu schlendern und darüber zu debattieren, ob sie sich nun die Bio-Hühnerbrustfilets leisten sollen oder nicht, denn sie haben inzwischen das zweite Beziehungsstadium erreicht und schlittern dem unvermeidlichen Augenblick entgegen, wo schreckliche kleine Kopien von Rachel kreischend über den Spielplatz laufen und anderen Kindern die Tonka-Spielsachen klauen. Gewaltsam reiße ich mich von dieser Fantasie los und konzentriere mich auf den vor mir liegenden Abend. Jedes Trauma zu seiner Zeit, schön Schlange stehen.
Als das größte Trauma erweist sich allerdings der prekäre Zustand meiner Garderobe. Unglücklich starre ich in die Tiefen meines Kleiderschranks, da kommt Milly nach Hause.
»Also gut, Kleiderschranknotruf. Kann man ein Kleid aus der Topshop-Herbstkollektion von 2005 anziehen, wenn man das Royal Opera House besucht?«
»Du gehst in die Oper? Das ist ja fantastisch. Mit Oscar, habe ich recht?«
»Genau«, sage ich lahm.
»Was ist denn?«
Und ich erzähle von Ralphs Anruf, und dabei kullert eine Träne über meine Wange. »Ich komme mir so blöd vor. Als würde alles noch mal passieren, nur dass ich
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