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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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manchmal überraschend zu knappen Handbewegungen aufzuspringen. Das strahlte Kompetenz und Autorität aus; ich beschloß, es demnächst selbst zu versuchen.
    Sie stand auf. »Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Sie hören von uns.«

3
Flau
    Am Abend hatte ich den Auftrag.
    Diesmal waren keine Irritationen des sozialen Umfelds zu befürchten und zu vermeiden, und ich konnte das ganze Programm abspulen: Freundinnen und Freunde, Kollegen, Bekannte, Vermieter, Sportverein, Stammkneipe, Autowerkstatt. Ich spürte die junge Frau auf, mit der ich Wendt im Sole d’Oro gesehen hatte, seinen ehemaligen Studienfreund und Reisebegleiter nach Brasilien, Argentinien und Chile, seine Doppelkopfpartner, einen arbeitslosen Lehrer, einen Tomatisten, eine Geigerin vom Heidelberger Symphonieorchester, und die Squash-Halle in Eppelheim, in die er regelmäßig gegangen war. Keiner, der sich über Wendts Tod nicht betroffen äußerte. Aber die Betroffenheit galt weniger der Person Wendts als dem Umstand, daß jemand, den man gekannt hat, ermordet worden ist. Mord – das gibt’s doch nur in der Zeitung oder im Fernsehen. Und ausgerechnet der Rolf. Der mit allen konnte, den alle schätzten.
    Die Geigerin war die dritte, von der ich das zu hören bekam.
    »Geschätzt? Warum nur geschätzt und nicht gemocht?«
    Sie betrachtete ihre kräftigen Hände mit den kurzen Nägeln. »Wir sind eine Zeitlang zusammengewesen, aber irgendwie ist kein Funke übergesprungen, verstehen Sie?«
    Auch bei der jungen Frau aus dem Sole d’Oro hatte es nicht gefunkt. Sie arbeitete in der Deutschen Bank, wo Wendt Kunde war, sie angesprochen und eingeladen hatte. »Man konnte sich voll auf ihn verlassen, ob’s um sein Konto oder um unsere Verabredungen ging.«
    »Das klingt aber flau.«
    »Was wollen Sie? Wir sind miteinander nie richtig warm geworden. Zuerst habe ich gedacht, er ist hochnäsig und will mich nicht an sich rankommen lassen, weil er studiert und den Doktor gemacht hat und ich nur die Banklehre. Aber das war’s nicht. Er ist nicht aus sich rausgegangen. Ich habe gewartet und gewartet, aber es kam nichts. Vielleicht gab’s bei ihm nichts. Man denkt immer, daß bei den Psycholeuten mehr dahinter steckt, aber warum eigentlich? Ich bin auch bei der Bank und habe kein Geld.«
    Ich hatte sie in der Mittagspause erwischt, und sie stand in Kostüm und Bluse, mit perfekter Frisur und dezentem Makeup vor mir. Wie es sich für die junge Mitarbeiterin einer deutschen Großbank gehört. Aber sie hatte mehr im Kopf als Geld und Zinsen. Rolf Wendt, der nicht aus sich rausgeht, um den man eine Weile wirbt, bei dem man sich zunächst fragt, ob man etwas falsch macht, und dann, ob ihm nicht etwas fehlt – die anderen hatten es nur nicht so klar gesehen und gesagt. Es ging nicht darum, daß er Frauen gegenüber zurückhaltend war. Der Squash-Trainer in Eppelheim sagte auf seine Weise das gleiche. »Arzt war er? Sehen Sie, das wußte ich gar nicht. Er war ein prima Spieler, und ich wollte ihn gerne mit den anderen zusammenbringen. Wir haben ein richtig gutes Clubleben, müssen Sie wissen, obwohl unser Squash-Center neu ist.« Er musterte mich: »Ihnen würde mehr Bewegung auch nicht schaden. Jedenfalls, Wendt hielt sich immer abseits. Nett war er schon, aber immer hielt er sich abseits.«
    Frau Kleinschmidt trug mir nicht nach, daß ich nicht Herr Wendt war. »Ein Detektiv sind Sie? So einer wie der Sherry Cotton?« Sie bat mich in die Küche und setzte Kaffeewasser auf. Es war eine Wohnküche mit Eckbank, Büfett und Linoleumfußboden. Waschmaschine und Elektroherd funkelten nigelnagelneu. Die Vorhänge, die Scheibengardinen im Küchenbüfett, das Wachstuch auf dem Tisch und die Folie am Kühlschrank waren in Delfter Kachelmuster gehalten.
    »Haben Sie Verbindungen nach Holland?«
    »Sie haben die Tulpen im Garten gesehen? Und kombiniert?« Sie sah mich bewundernd an. »Mein erster war von da oben. Der Willem. Fahrer war er, Fernfahrer, und wenn er die Tour nach Rotterdam gemacht hat, hat er immer Zwiebeln mitgebracht. Weil er doch gewußt hat, daß ich die Blumen mag. Beziehungen hat er gehabt, und bezahlen hat er nicht gemußt für die Zwiebeln. Anders hätten wir uns die vielen Blumen nicht leisten können mit den kleinen Kindern. Jetzt, wo sie groß sind, bringt mein zweiter sie aus der Stadt mit, die Zwiebeln, meine ich.«
    »Die Kinder sind aus dem Haus?«
    »Ja.« Sie seufzte. Im Kessel pfiff das Wasser, und sie goß es durch den Filter.
    »Da haben Sie

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