Selection
Eltern. »Findet ihr die nicht auch furchtbar –«
»Miss America Singer aus Carolina, Fünf.«
Ich fuhr herum, und da war es: Das Foto von mir, das entstanden war, nachdem ich gerade erfahren hatte, dass Aspen Geld sparte, um mich heiraten zu können. Ich sah strahlend, hoffnungsvoll und schön aus. Wie ein sehr verliebtes Mädchen. Und irgendwelche Idioten dachten nun, diese Liebe sei für Prinz Maxon bestimmt.
Meine Mutter kreischte neben meinem Ohr, und May sprang so abrupt auf, dass Popcorn durchs ganze Zimmer flog. Gerad war auch ganz aufgeregt und tanzte herum. Dad … das ließ sich schwer sagen, aber ich denke, er lächelte insgeheim hinter seinem Buch.
Maxons Miene versäumte ich.
Weil das Telefon klingelte.
Und es sollte tagelang nicht mehr aufhören.
6
In der nächsten Woche wimmelte es bei uns von Beauftragten der Königsfamilie, die mich für das Casting vorbereiten sollten. Eine grässliche Frau war dabei, die offenbar glaubte, ich hätte die Hälfte der Angaben auf meiner Bewerbung erfunden, sowie ein Wachmann vom Palast, der mit Soldaten Sicherheitsvorkehrungen traf und unser Haus durchcheckte. Offenbar musste ich nicht erst im Palast mit Rebellenangriffen rechnen. Na super.
Wir bekamen zwei Anrufe von einer Frau namens Silvia, die salopp und förmlich zugleich wirkte und sich erkundigte, ob wir irgendetwas bräuchten. Mein Lieblingsgast war ein magerer Mann mit Ziegenbart, der Maß nahm für meine neue Garderobe. Ich wusste nicht, ob es mir gefallen würde, die ganze Zeit so formelle Kleidung wie die Königin tragen zu müssen, aber gegen Abwechslung hatte ich nichts einzuwenden.
Der letzte Besucher dieser Art kam am Mittwochnachmittag, zwei Tage vor meiner geplanten Abreise. Er sollte sämtliche offiziellen Anordnungen mit mir durchgehen. Der Mann war unfassbar dünn, seine fettigen schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt, und er schwitzte ständig. Als er hereinkam, fragte er als Erstes, ob wir uns irgendwo ungestört unterhalten könnten. Das war bereits der erste Hinweis darauf, dass etwas im Argen war.
»Wie wär’s mit der Küche?«, schlug Mom vor.
Der Mann tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab und warf einen Blick auf May. »Der Raum ist einerlei. Ich denke nur, Ihre jüngere Tochter sollte sich indessen anderswo aufhalten.«
Was hatte er wohl zu sagen, das nicht für Mays Ohren bestimmt war?
»Mama?«, fragte May gekränkt.
»May, mein Schatz, geh und arbeite an deinem neuesten Bild. Du hast deine Arbeit letzte Woche ein bisschen vernachlässigt.«
»Aber?…«
»Ich geh mit dir raus, May«, bot ich an, als ich die Tränen in ihren Augen bemerkte.
Draußen im Flur, als wir außer Hörweite waren, umarmte ich sie.
»Keine Sorge«, flüsterte ich. »Heute Abend erzähl ich dir alles. Versprochen.«
Man muss ihr zugutehalten, dass sie reif genug war, wenigstens jetzt nicht auf und ab zu hopsen. Stattdessen nickte sie nur ernsthaft und trollte sich in ihre Malecke in Dads Arbeitszimmer.
Mom kochte Tee, und wir ließen uns alle am Küchentisch nieder. Der Dürre legte einen Stapel Blätter und einen Stift neben einen Ordner mit meinem Namen, rückte alles zurecht und begann dann zu sprechen.
»Es tut mir leid, dass ich so sehr auf Diskretion bestehen muss, aber im Vorfeld muss ich einige Punkte ansprechen, die für jüngere Menschen ungeeignet sind.«
Mom und ich wechselten einen raschen Blick.
»Miss Singer, das mag sich hart anhören, aber seit letztem Freitag gelten Sie als Eigentum von Illeá. Sie sind nun verpflichtet, besonders sorgsam auf Ihren Körper zu achten. Hier habe ich ein Merkblatt für Sie zusammengestellt, das wir gleich gemeinsam durchgehen werden. Sie müssen dann auch einige Formulare unterschreiben. Und ich muss Sie darüber informieren, dass Sie umgehend vom Casting ausgeschlossen werden, sollten Sie diese Anordnungen nicht befolgen. Haben Sie das verstanden?«
»Ja«, sagte ich argwöhnisch.
»Bestens. Fangen wir also dem leichten Teil an. Das hier sind Vitamine. Da Sie eine Fünf sind, gehe ich davon aus, dass Ihnen nicht immer ausreichend Lebensmittel zur Verfügung stehen. Sie müssen täglich eine von diesen Pillen nehmen. In den Tagen vor der zweiten Runde müssen Sie das alleine schaffen, im Palast werden Sie dann Hilfe bekommen.« Er reichte mir eine große Flasche und ein Formular, auf dem ich den Erhalt bestätigen musste.
Ich musste mich beherrschen, um nicht zu lachen. Wer brauchte denn wohl Hilfe beim Schlucken einer
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