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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Sekunden später starrte sie ihren rothaarigen Kollegen verblüfft an.
    »Wirklich? Na so was!«
    Pause.
    »Ach so.«
    Lange Pause. Sie drehte sich wieder um, schien etwas notieren zu wollen und bekam von Erik Stift und Papier. Sie ging mit dem Telefon um den Tisch herum und setzte sich an den zweiten Schreibtisch.
    »Interessant. Wann kann ich das schriftlich haben?«
    Neue Pause.
    »Sehr schön. Vielen Dank!«
    Der Hörer fiel auf die Gabel. Hanne Wilhelmsen schrieb noch anderthalb Minuten weiter. Dann starrte sie wortlos ihre Notizen an. Schließlich faltete sie den Zettel zweimal zusammen, erhob sich, steckte das Papier in die Tasche und verließ wortlos das Zimmer.
    Erik Henriksen war ziemlich gefrustet.
    Die Brauntönung war ebenso stimuliert wie die Muskulatur. Erstere war das Resultat von Solariumstrahlen in einer Dosis, die ausgereicht hätte, einer ganzen Kompanie unheilbaren Hautkrebs zu verpassen. Die Muskeln waren durch künstliche Präparate zum Schwellen gebracht worden, genauer gesagt, durch verschiedene Formen von Testosteron.
    Er liebte sein Äußeres. Er war Mann. Er hatte immer schon so aussehen wollen, besonders damals, als er strähnig, dünn und schielend unter den täglichen Prügeln der anderen in die Pubertät hineingewachsen war. Seine Mutter hatte das alles nicht ändern können. Mit einem Atem, der nach Pastillen und Alkohol stank, hatte sie verzweifelt versucht, ihn zu trösten, wenn er mit Veilchen, zerkratzten Knien und gesprungener Lippe nach Hause kam. Aber sie stand, ohne einzugreifen, hinter dem Vorhang, wenn die Idioten aus der Nachbarschaft sie und den Jungen provozierten, indem sie ihre Raufereien in immer größerer Nähe des Blocks austrugen, in dem sie wohnten. Das wußte er, denn wenn er anfangs Hilferufe zu den Küchenvorhängen im ersten Stock geschickt hatte, dann hatte er gerade noch gesehen, wie sie sich zurückzog. Immer zog sie sich zurück. Was sie nicht wußte, war, daß eher sie selbst als sein jämmerliches Aussehen Anlaß für die Prügel war. Die Jungs aus der Straße hatten ordentliche Mütter. Muntere, kräftige Frauen, die Brote und Milch anboten; manche arbeiteten, keine jedoch ganztags. Die anderen hatten nervige, niedliche kleine Geschwister und außerdem Väter. Nicht alle Väter wohnten bei ihrer Familie, zu Anfang der siebziger Jahre waren Scheidungen auch in seiner kleinen Heimatstadt keine Seltenheit mehr. Aber die Väter kamen am Samstag vormittag im Auto vorgefahren, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, breitem Lächeln und Angelruten im Kofferraum. Alle, nur seiner nicht.
    Die Jungs nannten seine Mutter »Alko-Guri«. Als er klein war, richtig klein, hatte er es toll gefunden, daß seine Mutter so einen schönen Namen hatte. Guri. Nachdem »Alko-Guri« aufgekommen war, hatte er ihn gehaßt. Noch heute konnte er Frauen mit diesem Namen nicht ausstehen. Er konnte Frauen überhaupt nicht besonders gut ausstehen.
    Als die Pubertät so einigermaßen überstanden war, hatten die Schikanen abgenommen. Er war siebzehn geworden und in anderthalb Jahren achtzehn Zentimeter gewachsen. Pickel hatte er nicht, und seine Schultern wurden immer breiter. Eine Operation, nach der er ein halbes Jahr lang eine scheußliche Augenklappe hatte tragen müssen, was seine Beliebtheit nicht gerade gesteigert hatte, hatte ihn vom Schielen befreit. Er hatte blonde Haare, und seine Mutter fand ihn hübsch. Er konnte ums Verrecken nicht verstehen, warum zum Beispiel Aksel eine Freundin hatte, während ihn kein Mädchen auch nur ansah. Aksel war ein etwas übergewichtiger, bebrillter Klassenkamerad, der zu allem Überfluß mindestens einen Kopf kleiner war als er.
    Sie waren nicht gemein, das nicht, sie wichen ihm nur aus und bedachten ihn ab und zu mit blöden Sprüchen.
    Als er achtzehn war, drehte Alko-Guri endgültig durch. Sie wurde in die Psychiatrie eingewiesen. Er besuchte sie einmal, gleich zu Anfang. Sie lag im Bett, war total im Tran und hatte überall Schläuche und Tuben sitzen. Er wußte nicht, was er tun oder sagen sollte. Während er stumm dasaß und sich ihr Gefasel anhörte, rutschte die Decke ein Stück beiseite. Ihr Nachthemd war offen, und eine Brust, ein magerer, leerer Hautfetzen mit dunkler, fast schwarzer Brustwarze, grinste ihn an wie ein starrendes, anklagendes Auge. Da war er gegangen. Seither hatte er seine Mutter nicht wiedergesehen. An diesem Tag hatte er entschieden, was er werden wollte. Niemand würde ihn je wieder quälen dürfen.
    Jetzt saß er

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