Selige Witwen
unter seine Decke zu kriechen, ich hatte schließlich auch meinen Stolz.
»Ich darf dir die ganze Geschichte leider nicht erzählen«, begann ich leidlich raffiniert, »denn als Mitwisser gerietest du selbst in Gefahr; auch unsere neue Adresse muß geheim bleiben. Wir hatten keine andere Wahl, als unterzutauchen, und man kann mit Fug und Recht sagen, daß wir uns immer noch in Lebensgefahr befinden.«
»Das soll glauben, wer will«, sagte Andy, war aber schon ein kleines bißchen neugierig und milder geworden. »Wieso Lebensgefahr? Übrigens hat sich tatsächlich ein Typ nach Allerleirauh erkundigt.«
Natürlich sagte ich kein Wort von unserem Bilderraub, wies jedoch darauf hin, daß Kathrins Mann mit der Frankfurter Unterwelt in Verbindung stehe und bereits einen Killer auf seine Frau angesetzt hätte.
»Killer? Erzähl deine Räuberpistolen einem anderen! Erstens weiß ich zufällig, welchen Beruf ihr Mann hat; ein Anwalt würde sich niemals derart in die Nesseln setzen, daß er seine Zulassung riskiert! Zweitens ist mir nicht klar, was du damit zu tun hast«, rief Andy und geriet wieder in Zorn. »Und drittens hätte ich dich nie im Leben verraten!«
»Auch nicht bei Folter?« fragte ich, und wir sahen uns streitsüchtig in die Augen.
Nach einer kleinen Pause meinte er: »An eurer Stelle würde ich unverzüglich zur Polizei gehen!«
Bevor ich andeuten konnte, daß Kathrin Gründe hatte, sich nicht den Behörden anzuvertrauen, hörten wir Schritte im Flur; der Hund stieß erneut Laute höchsten Glücks aus.
Ich verließ die Matratzengruft und schaute nach, wer der Neuankömmling war.
Felix schloß mich freundschaftlich in die Arme. Da er ein ebenso schlechtes Gewissen hatte wie ich, ließen wir die gegenseitigen Vorwürfe lieber unausgesprochen. Aus Andys
Zimmer vernahmen wir noch: »Beim Taxifahren muß ich mir schon genug Gelabere anhören...«
Ob ich Kaffee wünsche, fragte Felix beflissen, füllte einen Emailkessel mit Wasser und schob mir einen Küchenstuhl zurecht. Er selbst gab sich wie immer mit Kakao zufrieden.
Er sei leider in Eile, sagte er, denn er habe seiner Großmutter versprochen, sie bei einem Besuch im Altersheim zu begleiten.
»Ob du es glaubst oder nicht«, sagte er, »erst kürzlich hat meine Mutter erfahren, daß sie die Tochter von Omas ehemaligem Liebhaber ist. Früher war er für mich Onkel Hugo, jetzt ist er plötzlich mein Großvater! Du kannst mir zu diesem Glücksfall gratulieren, denn gestern hat mein neuer Opa sein Versprechen wahr gemacht und mir ein Auto geschenkt!«
Mich interessierte der Familienklatsch wenig, außerdem hatte mir Cora das ganze Drama bereits erzählt; aber Felix wurde durch die eigenen Worte auf einen ganz neuen Aspekt seiner Probleme hingewiesen: »Dabei fällt mir auf, daß Cora gar nicht meine echte Kusine ist! Ich dachte immer, meine Mutter und Coras Vater seien Bruder und Schwester, de facto sind sie aber nur Halbgeschwister. Also haben Cora und ich zwar eine gemeinsame Großmutter - die du ja kennst -, aber verschiedene Großväter!« Seine Erkenntnis schien ihn sehr zu beschäftigen.
»Vetter und Kusine haben früher häufig geheiratet, und keiner fand etwas dabei«, sagte ich. »Warum machst du so einen Wirbel darum? Du bist nicht der erste, der seiner Kusine nachstellt!«
Verwandtschaftliche Verflechtungen erschienen mir schon immer undurchsichtig und nebensächlich; ich wollte lieber hören, wieso mich meine Freundin so schnöde versetzt hatte. Felix hatte auch keine triftigen Gründe zu bieten; er war offensichtlich im Geiste immer noch mit der Klärung der prozentualen Blutsverwandtschaft beschäftigt.
Mit unverfrorenem Grinsen stellte ich fest: »Demnach hast du mit Cora geschlafen!«
Felix errötete. »Eigentlich nicht.«
Was sollte ich von dieser Antwort halten? Wahrscheinlich hatte die ganze Affäre nur deshalb so lange gedauert, weil Cora erstaunlicherweise Hemmungen hatte, mit ihrem Vetter ins Bett zu gehen. Oder war es Felix, der seine Kusine zwar heftig begehrte, aber die Umsetzung seiner Wünsche insgeheim für unmoralisch hielt? Hatte sie ihn gequält?
Ständig scharf gemacht und dann auf Distanz gehalten? Das konnte ich mir sehr gut vorstellen.
»Wo wart ihr überhaupt?« fragte ich, weil ich mich meiner Neugier schämte und das Thema wechseln wollte.
Nur zwei Tage in Florenz, dann am Meer, zuletzt auf dem Land. Emilia und Mario seien anfangs mit von der Partie gewesen, hätten sich dann aber in die Berge abgesetzt.
Es
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