Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
dem Schwert gewaschen hatte, betrachtete ich es andächtig. Mit dem Finger zog ich jede Kontur nach und strich über die Klinge, der das Wasser nichts an Schärfe genommen hatte.
Dann hob ich es in die Höhe. Die Sonnenstrahlen fingen sich in der Klinge, sodass sie wirkte, als sei sie gerade aus der Schmiedeesse gezogen worden. Das Gefühl, als würde die Kraft meines Vaters aus dem Schwertgriff in meine Hand sickern, ließ mich erbeben. Früher hatte ich mich gefragt, ob ich jemals so viel Kraft haben würde, um es zu führen, doch nun spürte ich, dass ich die Stärke dazu bereits besaß.
»Dank dir, Vater«, murmelte ich mit Blick auf das Meer, und für einen Moment erlaubte ich mir die Vorstellung, dass der Wind seine Hand war, die mir über die Wange strich und meine Tränen fortwischte.Lange saß ich mit dem Schwert auf den Knien am Strand und hielt stumme Zwiesprache mit den Göttern und dem Meer. Ein paar Seeschwalben und Möwen gesellten sich zu mir und beäugten Fenrir misstrauisch. Immer wieder strich ich über das Metall und betrachtete darin die Spiegelung der Wolken.
Mit dem Schwert hatte ich ein Stück Heimat wiedergefunden. Und einen Teil meines Vaters, den der Tod nicht vernichten konnte.
Als der Abend kam und sich die Wolken in der Klinge röteten, beschloss ich zurückzugehen. Inzwischen waren Gabriels Besucher sicher wieder verschwunden.
Auch wenn mein Knie immer noch schmerzte, waren meine Schritte nun etwas leichter. Zwischendurch stützte ich mich auf das Schwert, um mich ein wenig auszuruhen, dann setzte ich meinen Weg fort.
Als Gabriels Anwesen vor mir auftauchte, war der Hof zwar von Pferdehufen aufgewühlt, doch die Pferde selbst nicht mehr zu sehen. Lächelnd strebte ich der Haustür zu. Ich musste Gabriel unbedingt von meinem Fund erzählen – vielleicht wollte er dann die Geschichte des Götterwolfs Fenrir hören. So schnell es mir mein Knie erlaubte, stürmte ich auf den großen Raum zu, aus dem mir ein seltsamer Geruch entgegenströmte.
»Gabriel, sieh nur, was …«
Abrupt stockte ich, als ich die Männer erblickte. Alle bis auf einen waren in weiße Gewänder gekleidet, einige von ihnen trugen jene seltsamen Stoffwülste auf dem Kopf, die Gabriel Turban genannt hatte. Ihre Gesichter hatten unterschiedliche Farben, von ganz hell bis ganz schwarz waren alle Töne vorhanden.
Das Gespräch, das sie gerade geführt hatten, verebbte auf der Stelle. Alle Blicke richteten sich auf mich. Vor Schreck schoss mir das Blut ins Gesicht. Ich war sicher, dass meinGastgeber wütend auf mich sein würde, immerhin hatte er mir ja befohlen, mich nicht blicken zu lassen.
Gabriel, der gerade zum Trinken ansetzen wollte, sah mich erschrocken an, dann setzte er die Trinkschale, in der eine goldfarbene Flüssigkeit schwappte, wieder ab.
»Du hast also einen Gast, Gabriel«, sagte nun einer der Männer, während er sich erhob. Er hatte nicht den massigen Bau meines Vaters, aber an Größe übertraf er ihn noch. Seine tief dunkelblaue Kleidung wallte um einen schlanken, dennoch kräftigen Leib. Als er auf mich zukam, lauernd wie ein Wolf, der sich seiner Beute näherte, straffte ich mich unwillkürlich.
Der Fremde musterte mich eindringlich, und ich konnte nicht anders, als zu ihm aufzuschauen, direkt in sein Gesicht. Der Schwung seiner Brauen, seine Augen, die schmale Nase und die Lippen, die von einem schwarzen Bart umkränzt wurden, waren dermaßen beeindruckend, dass sie mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben würden.
»Wie ist dein Name?«, fragte er in der Frankensprache, während er ein vertrauenerweckendes Lächeln aufsetze. Wahrscheinlich hielt er mich für einen Landsmann von Gabriel. »Laurina«, platzte es unbedacht aus mir heraus. Im nächsten Augenblick hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Warum nannte ich ihm meinen echten Namen und gab damit zu, ein Mädchen zu sein? Wenn es sich wirklich nicht schickte, als Frau unverschleiert herumzulaufen, würde Gabriel vielleicht Ärger bekommen.
Seine Augenbrauen schnellten nach oben. »Du bist ein Mädchen. Natürlich!« Die Art, wie er mich jetzt musterte, war mir unangenehm.
»Das Meer hat sie ausgespien und ich habe sie am Strand aufgesammelt«, warf Gabriel rasch ein. »Ihr Schiff ist gesunken. Soweit ich weiß, war sie die einzige Überlebende.«
Der Fremde wandte seinen Blick auch weiterhin nicht von mir ab. »Das ist bedauerlich«, sagte er nach einem Moment des Schweigens. »War deine Familie an Bord?«
Täuschte ich
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