Septemberblut
nach und nach in ihre Särge krochen. Zwei würden leer bleiben. Gordon ging als Letzter, denn er war der Älteste.
Schon vor einer Weile hatte ich erst das Gefühl für Christina, dann auch für Brandon verloren, doch Curtis war noch da, war noch wach.
Ich wusste ihn dort im Lafayette, so sicher wie ein Meer, das unsichtbar hinter Klippen rauschte. Er war da. Sie alle, all jene, mit denen ich die Magie des Blutes geteilt hatte, würden meinen Tod spüren.
Es war ein tröstlicher Gedanke, am Ende nicht allein sein zu müssen.
Meine Beine wurden schwer und schwerer in den Fesseln, dann taub. Die Sonne fraß das Leben aus meinem Leib.
Ich klammerte mich an jeden Herzschlag und zählte den Rhythmus wie einen Countdown. Panik flammte auf. Warum bekam ich keinen Sarg?
DerRaum, in dem ich lag, war riesig und leer. Ich war völlig schutzlos. An der Wand stand die Truhe mit den schweren Schlössern. Verheißungsvoll, dunkel, das perfekte Versteck.
Ich starrte auf meine Beine, die ich längst nicht mehr spüren konnte. Für mich lag keinerlei Trost darin, dass der Tag auch meinen Schmerz verschlingen würde.
Dann gab ich mich der Verzweiflung hin. Ich riss an den Ketten und schrie um Hilfe, bis sich auch meine Arme in Taubheit auflösten. Für mich gab es keinen Sarg!
Durch einen fernen Schacht fiel ein schwacher Lichtschein. Als er die Farbe reifer Pfirsiche annahm, blieb mein Herz stehen, und ich schloss die Augen.
Brandon rief mich in seinen Träumen. Wir hatten noch nie auf diese Weise kommuniziert. Als er mich fand, trieb meine Seele irgendwo in dem hellen Nichts, in das sie immer ging, wenn der Tag sie vom Körper trennte.
» Meister, hörst du mich? Hörst du mich? « , rief er immer wieder.
Die Macht der Eide glomm auf und machte es mir unmöglich, ihn zu ignorieren.
» Ja, Brandon « , dachte ich, und sobald mein Geist seinen Namen geformt hatte, rastete irgendetwas ein, wie Schloss und Schlüssel, und ich hört ihn nicht nur, sondern fühlte ihn auch. Nicht seinen Körper, wie bei meiner Dienerin, sondern seine Seele, die Essenz dessen, was ihn ausmachte.
Ein weiteres Element unserer neuen Verbindung war in Kraft getreten. Ein Bund, der enden würde, bevor ich je die Chance bekam, mich als Meister zu beweisen.
» Wie geht es dir? « , fragte er vorsichtig.
» Nicht gut, meine Beine sind zerschossen, aber ich konnte seinen Ältesten töten, bevor sie mich endgültig angekettet haben. «
Als ich das Wort »angekettet» dachte, brannte Angst durchBrandons Seele. Es hatte etwas mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun. Er fing sich zu schnell, um Details preiszugeben. » Wo bist du? Wie sieht es da aus, kannst du dich an die Fahrt erinnern, an Einzelheiten? «
» Nein, Brandon. « Ich wusste, warum er fragte, doch so leicht ließ er sich nicht stoppen.
» Wir können dich finden. Gordon hat nicht so viele Möglichkeiten, wir … «
» Brandon! Er hat das Messer. Niemand kommt dagegen an. Du wirst nichts versuchen, es ist mein letztes Wort! «
» Du kannst dich doch nicht einfach abschlachten lassen! «
» Erzähl mir von Amber, von Curtis « , bat ich, um mir jede Hoffnung auf Rettung zu verbieten.
Brandon fasste sich. » Robert hat deine Freundin zu ihrer Mutter gebracht. Sie ist noch dort, aber wir haben nichts mehr von ihr gehört. Sie hat die ganze Fahrt über geschlafen. Curtis ist nach deiner Abreise sofort in seine Gemächer gegangen. Seit du fort bist, wagt keiner mehr, ihn anzusprechen, nur Robert ist bei ihm gewesen. «
» Und Christina? Brandon, du musst auf sie aufpassen. Lehre sie alles, lehre sie gut. Sie ist die einzige Unsterbliche, die ich je geschaffen habe. Wenn Gordon mit mir fertig ist, wird sie das Einzige sein, was von mir bleibt, das einzig Gute, was ich nach zweihundert Jahren hinterlasse … «
Dieses Gespräch musste enden, jetzt! Ich riss verzweifelt meine Schilde hoch. » Vielleicht sehen wir uns in einem anderen Leben. «
» Julius, nicht! « Er wurde aus meinem Bewusstsein katapultiert.
Jedes weitere Wort, jeder Gedanke an die Qualen, die mir noch bevorstanden, war unerträglich.
Curtis schwieg. Hin und wieder spürte ich, dass er an mich dachte, aber die meiste Zeit über schirmte er sich ab.
Ichwusste, dass ich ihn rufen konnte, wenn ich ihn am nötigsten brauchte, wie vor wenigen Tagen, als Frederik mich gequält hatte. Curtis’ unsichtbare Gegenwart ließ mich dem Tod gefasst entgegensehen.
Amber konnte ich noch immer nicht spüren, und das war auch
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