Septemberblut
Steven ausfindig zu machen. Ich konzentrierte mich kurz und schickte ihm meine Bitte.
Wenig später trat er mit einem schiefen Grinsen durch die Tür und balancierte eine dampfende Tasse sowie Milch und Zucker auf einem kleinen Tablett.
Er stellte das Tablett vor Amber ab und lächelte ihr aufmunternd zu.
»Danke«, sagte sie knapp und zog die Tasse zu sich heran.
Steven wedelte sich den aufsteigenden Kaffeeduft ins Gesicht und seufzte genießerisch. »Gut riecht das Zeug ja allemal. Früher war ich ein richtiger Kaffeejunkie, das kannst du mir glauben. Heiß, stark und schön süß musste er sein.«
Ich sah ihn warnend an. Ich kannte Stevens ungebremsten Redefluss nur zu gut, und er wollte gerade richtig loslegen. »Steven!«
»Schon gut, ich kapier schon. Ihr wollt alleine sein.« Er machte beleidigt auf dem Absatz kehrt und ließ die Tür unsanft ins Schloss fallen.
Amber rührte mehrere Löffel Zucker in den Kaffee und verwandelte ihn damit in eine flüssige Mahlzeit. Ich sah ihr schweigend dabei zu.
Sobald sie den ersten Schluck genommen hatte, schien es ihr besser zu gehen.
Endlich fühlte ich, dass mein Meister seine Gemächer verlassen hatte. Das kürzlich empfangene Blutgeschenk machte mich besonders empfänglich für seine Energie. »Curtis kommt.«
Amber griff nach meiner Hand und ließ sie sofort wieder los. Tapferes Mädchen.
Schritteauf der Treppe.
Die Tür ging auf und Curtis’ Präsenz traf Amber wie ein Hammerschlag.
Der Meister streckte ihr freundlich lächelnd die Hand entgegen.
»Vergessen wir, was unten geschehen ist, und versuchen es noch einmal. Amber Connan? Curtis Leonhardt.«
Er hatte Amber kalt erwischt. Völlig verdattert reichte sie ihm die Hand und erlag seinem Charme. Selbst ich konnte mich dessen Wirkung nicht ganz entziehen.
»Es tut mir leid, wie Sie hier empfangen wurden, aber ich konnte nicht davon ausgehen, dass die mysteriöse Waffe, die sich in Ihrem Besitz befindet, nicht die Kontrolle über Sie erlangt hat.«
Amber überraschte mich. Sie nickte und schwieg. Wartete auf Erklärungen.
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, sprach Curtis und drehte die Handflächen nach oben. »Also werde ich dort beginnen, wo es für Sie wichtig wird: bei Ihrem Bruder und den Vampirclans von Los Angeles.«
Curtis zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
Er sah aus wie ein normaler Mensch. Der Meistervampir hatte die Maske der Macht fallenlassen, die er üblicherweise in Gegenwart anderer Unsterblicher trug, und Amber ließ sich täuschen. Ich hörte ihren Herzschlag langsamer werden, ihr Atem ging ruhiger. Sie begann dem Mann auf der anderen Seite des Tisches zu vertrauen.
Curtis räusperte sich. »Niemand von uns weiß, wie Frederik an das Messer kam, und das kann er uns leider auch nicht mehr beantworten.
Alte Aufzeichnungen sprechen davon, dass die Holzmesser von der Heiligen Inquisition geschaffen wurden. Es sollen einstmals zwölf existiert haben, so viele, wie es Apostel gab.Heute weiß man von dreien, die die Zeiten überdauert haben. Unseres hier ist das Paulusmesser, eines existiert in Südamerika, wo es unter Verschluss gehalten wird, das dritte gehört dem Vatikan und reist noch heute mit der Inquisition durch die Welt.«
Der Meister hielt kurz inne und sah Amber an. »Ihr Bruder Frederik war nicht mehr Herr seiner selbst. Das Messer hatte ihn in seiner Gewalt. Es lenkte seine Schritte, zwang ihn dazu, jede Nacht loszuziehen und uns zu jagen wie seltenes Wild.«
»Es tut mir leid«, sagte Amber schnell.
»Das muss es nicht«, beruhigte Curtis sie. »Jäger und Gejagte. Es ist der Lauf der Welt. Das versteht wohl keiner besser als wir.«
Amber zuckte mit den Schultern, wusste nicht, was sie antworten sollte.
»Seit es uns gibt, sind es Blut und Tod, die Menschen und Vampire verbinden. Jahrhundertelang haben wir euch getötet, um zu existieren. Die Sterblichen wiederum haben uns vernichtet, wo sie uns fanden. Natur, wenn man so will. Ein ewiger Kreislauf.«
»Den wir durchbrechen wollen«, warf ich ein.
»Richtig. Mein Clan und einige andere haben vor fast einem Jahrhundert einen neuen Weg eingeschlagen, dem heute fast alle Unsterblichen folgen. Wir leben jetzt nach anderen Regeln. Die Vampire haben sich vom Töten abgekehrt, wenngleich das Blut geblieben ist. Es gibt keine andere Möglichkeit. Wer kann dem Löwen verbieten zu jagen? Niemand kann und darf seine Natur verleugnen. Täten wir es, gingen wir zugrunde.«
»Und was habe ich damit zu
Weitere Kostenlose Bücher