Septimus Heap 01 - Magyk
uns.«
»Silas«, seufzte Marcia, »sie ist bei euch nicht sicher. Jedenfalls nicht mehr. Sie ist entdeckt worden. Ihr habt eine Spionin in der Nachbarschaft. Linda Lane.«
»Linda?«, stieß Sarah hervor. »Eine Spionin? Das glaube ich nicht.«
»Meinst du diese nervtötende alte Quasselstrippe«, fragte Silas, »die ständig hier herumsitzt, von Pillen und Tränken plappert und die Kinder zeichnet?«
»Silas!«, protestierte Sarah, »sei nicht so grob.«
»Ich werde noch viel gröber zu ihr sein«, erwiderte Silas, »wenn sie wirklich eine Spionin ist.«
»Das steht außer Zweifel, Silas«, sagte Marcia. »Linda Lane ist ganz bestimmt eine Spionin. Und ihre Zeichnungen haben dem Obersten Wächter mit Sicherheit gute Dienste geleistet.«
Silas stöhnte.
Marcia nutzte ihren Vorteil aus. »Hör zu, Silas. Ich will nur das Beste für Jenna. Du musst mir vertrauen.«
Silas schnaubte verächtlich. »Warum um alles in der Welt sollte ich dir vertrauen, Marcia?«
»Weil ich dir die Prinzessin anvertraut habe. Und dafür vertraust du jetzt mir. Was vor zehn Jahren geschehen ist, darf nicht noch einmal geschehen.«
»Du vergisst«, giftete Silas, »dass wir keine Ahnung haben, was vor zehn Jahren geschehen ist. Niemand hat es für nötig gehalten, es uns zu sagen.«
Marcia seufzte. »Wie hätte ich es euch sagen können? Für die Prinzessin, ich meine, für Jenna, war es besser, dass ihr nicht Bescheid wusstet.«
Bei der neuerlichen Erwähnung des Wortes »Prinzessin« schaute Jenna zu Sarah auf.
»Madam Marcia hat mich vorhin schon so genannt«, flüsterte sie. »Bin das wirklich ich?«
»Ja, mein Schatz«, flüsterte Sarah zurück, dann sah sie Marcia in die Augen und sagte: »Ich glaube, wir alle sollten erfahren, was vor zehn Jahren geschehen ist, Madam Marcia.«
Marcia schaute auf ihre Uhr. Viel Zeit blieb ihr nicht. Sie holte tief Luft.
»Ich hatte damals gerade meine Abschlussprüfung abgelegt und war zu Alther gegangen, um mich bei ihm zu bedanken. Ich war kaum dort, da stürzte ein Bote herein und meldete, dass die Königin eine Tochter zur Welt gebracht habe. Wir waren außer uns vor Freude – endlich hatten wir eine Thronerbin.
Der Bote bestellte Alther in den Palast, wo er die Willkommenszeremonie für die kleine Prinzessin abhalten sollte. Ich begleitete ihn und half beim Tragen der schweren Bücher, Tränke und Zaubermittel, die er benötigte. Und um ihn daran zu erinnern, in welcher Reihenfolge alles zu tun war, denn der gute Alther wurde mit den Jahren etwas vergesslich.
Im Palast angekommen, wurden wir in den Thronsaal zur Königin geführt. Sie sah so glücklich aus – so glücklich! Sie saß auf dem Thron, hielt ihre neugeborene Tochter im Arm und begrüßte uns mit den Worten: ›Ist sie nicht wunderschön?‹ Es waren die letzten Worte unserer Königin.«
»Nein«, murmelte Sarah vor sich hin.
»Im selben Augenblick stürzte ein Mann in einer sonderbaren schwarz-roten Uniform in den Saal. Heute weiß ich natürlich, dass er die Uniform eines Meuchelmörders trug, aber damals wusste ich nichts dergleichen. Ich hielt ihn für einen Boten, aber ich sah der Königin am Gesicht an, dass sie keinen erwartete. Dann bemerkte ich die lange silberne Pistole in seiner Hand und bekam große Angst. Ich blickte zu Alther, aber der blätterte in seinen Büchern und hatte nichts mitbekommen. Dann ... alles war irgendwie so unwirklich ... musste ich mit ansehen, wie der Soldat ganz langsam und bedächtig die Pistole hob, auf die Königin richtete und schoss. Alles war so schrecklich still, als die silberne Kugel das Herz der Königin durchschlug und hinter ihr in die Wand fuhr. Die kleine Prinzessin schrie und entglitt den Armen der toten Mutter. Ich sprang vor und fing sie auf.«
Jenna war erbleicht und versuchte, das Gehörte zu begreifen. »War das ich, Mum?«, fragte sie Sarah mit leiser Stimme. »War ich die kleine Prinzessin?«
Sarah nickte langsam.
Mit leicht zitternder Stimme fuhr Marcia fort. »Es war schrecklich! Alther sprach bereits einen Schutzschildzauber, als ein zweiter Schuss fiel. Getroffen wirbelte Alther herum und stürzte zu Boden. Ich sprach den Zauber für ihn zu Ende, und für ein paar Augenblicke waren wir drei sicher. Wieder feuerte der Mörder – diesmal auf die Prinzessin und mich –, doch die Kugel prallte an dem unsichtbaren Schild ab, flog direkt zu ihm zurück und traf ihn am Bein. Er brach zusammen, behielt die Pistole aber in der Hand. Er lag einfach nur da,
Weitere Kostenlose Bücher