Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Septimus Heap 06 - Darke

Titel: Septimus Heap 06 - Darke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
Vom Netzwerk:
führte die Liste an.
    Im Schlupf, wie ihn die Einheimischen kurz nannten, lebten die zwielichtigeren Bewohner der Burg, jene Leute, denen man am Tag niemals begegnete und in dunkler Nacht niemals begegnen wollte. Die baufälligen, windschiefen Häuser hier verströmten einen leicht süßlichen Geruch von Moder und Schlimmerem, und es war die Gewohnheit der Bewohner, Fremde anzurempeln und jedes Mal beim Klang von Schritten aus dem Fenster zu glotzen – gewöhnlich bewaffnet und bereit, dem Urheber des Geräuschs, wenn er ihnen nicht gefiel, einen Eimer Schmutzwasser über den Kopf zu schütten. Messer-Meckis Schlupf war ein Ort, den niemand freiwillig aufsuchte, schon gar nicht bei Nacht.
    Doch Jenna vergaß alles, was sie über den Schlupf wusste. Begleitet von dem unsichtbaren Vogel, rannte sie weiter, sprang über Schlaglöcher, schlug Haken um stinkende Abfallhaufen und beachtete weder die missfälligen Pfiffe und Flüche aus den Fenstern über ihr noch die gutgezielte Tomate, die von hinten gegen ihren Mantel klatschte. Kurz vor dem Ende des Schlupfs verlangsamte sie ihre Schritte und blieb schließlich unter dem matten Schein einer rostigen Laterne stehen. Sie schöpfte Atem und sah sich um, mit einem Mal verwirrt. Wo war sie hier? Die Laterne schaukelte mit einem traurigen Quietschen über einer verwitterten, eisenbeschlagenen Tür. Daneben war ein mit Brettern vernageltes Fenster, und darüber stand in verblasster Schrift:

    DIE WAHRHEIT ÜBER DEINE ZUKUNFT.
TRITT EIN, WENN DU MUT HAST.
NUR GEGEN BARZAHLUNG.
    Ein Windstoß rüttelte an der Laterne. Jenna erschauderte. Was wollte sie hier? Die Liste der verbotenen Gassen, die sie vor langer Zeit auswendig gelernt hatte, kam ihr wieder in den Sinn, und ihr wurde mulmig zumute, als sie erkannte, dass sie in Messer-Meckis Schlupf gelaufen war und nun auch noch vor der berüchtigten Schicksalskiste stand, die vor einigen Jahren für große Aufregung gesorgt hatte, als ein Aufgebot von Zauberern unter Führung der Außergewöhnlichen Zauberin höchstpersönlich das Etablissement ausgeräuchert und geschlossen hatte.
    Jedem Kind aus den Anwanden war bekannt, dass die Schicksalskiste am Ende des Schlupfs lag, und Jenna, die ebenfalls sehr wohl wusste, dass der Schlupf eine Sackgasse war, begriff, dass sie kehrtmachen und den Weg, den sie gekommen war, zurücklaufen musste. Der Gedanke erschreckte sie, und sie verspürte nicht die geringste Lust dazu. Die Laterne quietschte, und Regen spritzte ihren Mantel nass. Eine merkwürdige Benommenheit befiel sie, und sie schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können.
    Gerade als sie den Mut fasste, durch den Schlupf zurückzulaufen, hörte sie trommelnde Schritte. Sie erstarrte. Die Schritte kamen in ihre Richtung. Sie trat in den Schatten der Schicksalskiste und drückte sich in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben, dicht an die Wand.
    Zu ihrer großen Erleichterung war es Beetle, der schlitternd um die Ecke flitzte.
    »Jenna!«, keuchte er, nicht minder erleichtert, sie zu sehen. »Warum bist du weggerannt? Was willst du denn hier?«
    »Ich ... ich weiß es nicht.« Und so war es. Jenna wusste es wirklich nicht. Sie kam sich vor, als wäre sie soeben aus einem seltsamen Traum erwacht.
    »Machen wir, dass wir hier wegkommen«, schlug Beetle vor und schaute sich unbehaglich um. »Wir müssen den Weg zurück, den wir gekommen sind. Gleich hinter der Ecke ist die Gasse zu Ende, und dort möchte ich auf keinen Fall hin.«
    »Ich weiß«, sagte Jenna. »Ich weiß.«
    Beetle marschierte zügig los, und Jenna wollte ihm hinterher – aber sie kam nicht von der Stelle. Sie drehte sich um und sah nach, ob ihr Mantel sich vielleicht irgendwo verfangen hatte, aber er hing frei an ihr herunter. Sie zupfte an ihrem langen Kleid, das ganz mit Schlamm bespritzt war, wie sie erschrocken feststellte, doch auch das Kleid hatte sich nirgends verhakt. Sie kämpfte gegen die aufkommende Panik an und hob zuerst den einen, dann den anderen Fuß – keiner klebte fest. Aber als sie einen neuerlichen Versuch unternahm, Beetle zu folgen, kam sie nicht vom Fleck.
    In dem Moment verlor Jenna den Kampf gegen die aufkommende Panik. »Beetle!«, schrie sie. »Beee...tle!« Doch zu ihrem Entsetzen kam kein Laut aus ihrem Mund. Mit einem Zischen erlosch die Laterne über ihr, und Dunkelheit legte sich um sie.
    Beetle war noch nicht weit gekommen, als er bemerkte, dass Jenna nicht hinter ihm war. Er wurde zornig – was sollte das nun wieder?

Weitere Kostenlose Bücher